Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
es ihnen nach. Tausende waren in jenen Wochen gestorben, und den Überlebenden e r schien es umso schlimmer, als die Leichen nicht nur u n ter den Armen der Hauptstadt zu finden waren, jenen Armen, die ohnehin an Krankheit, Totschlag und Hu n ger g e wohnt waren, um die man sich keine Gedanken machte. Das Grausige waren den Römern die vielen O p fer, die in den Häusern der Patrizier lagen. In jenen P a lästen, in denen jedes Kind gefeiert, gehätschelt und g e hegt worden war. In denen das Alter keine Bürde, so n dern eine Ehre darstellte. In denen die Bürger hausten, die von allen für die Träger der römischen Republik, für die Elite der Welt gehalten wo r den waren. Ihre Namen wurden ausgelöscht, ihre Kinder vertrieben und für i m mer von a l len Ämtern und Würden ausgeschlossen.
Agnar selbst lebte wie in einem Rausch. Wenn er durch die Gassen wanderte, kannte er inzwischen jede Ecke, jede Laterne, jede Nische, in der ein Gö t terbild hinter einer kleinen Öllampe saß. Seine Füße trugen ihn ohne Anstrengung über Stunden durch die leeren Gassen, sein Herz klopfte leicht und froh. Alles hatte sich zum Guten gewendet. Er allein hatte es geschafft. Er hatte seinen Stamm an den Römern gerächt. Und es würde noch la n ge so weitergehen. Tief sog er die klare Nachtluft in seine Lungen. Er war in Odins Huld. Wie um sich seiner selbst zu versichern, griff er nach den schweren Ri n gen um seine Oberarme. Ja, er war in Odins Gnade, und wenn der Gott es wünschte, würde sein letzter Diener noch viel mehr U n heil in diese Stadt bringen.
Er wusste, dass ihm das nicht schwer fallen würde, denn es gab genügend Römer, die zu keinem Zei t punkt von Skrupeln geplagt wu r den. Sie kannten kein Zaudern und nutzten die Wirren, um Rache zu nehmen oder sich an dem Vermögen der Denu n zierten zu bereichern.
Nachdem die Verräter ihren Anteil erhalten hatten, wu r de der größere Rest des Besitzes der Hingerichteten ei n gezogen und entweder zu Spottpreisen versteigert oder noch einfacher, direkt an die Getreuen des Sulla weite r gegeben.
Auch der Hunger von Lucius Anhängern wuchs, je mehr Güter plötzlich verteilt werden konnten. Rom war zu einem gigantischen Jahrmarkt geworden, in dem jeder sich bed i enen konnte, der nur schnell und rücksichtslos genug war. Viele nutzten die G e legenheit, denunzierten, forderten Prämien ein und brachten zum Beweis ihrer Leistu n gen die Köpfe der echten oder vermeintlichen Gegner zur Villa des Lucius Cornelius Sulla. Die meisten Köpfe wanderten auf das Forum, wo sie an der Rostra zur Schau gestellt wu r den, wie es ja bereits seit einigen Jahren üblich geworden war. Einige Schädel von beso n ders verhassten Gegnern behielt Lucius j e doch in seinem Atrium, um sich zusammen mit Agnar an ihrem Anblick zu erfreuen.
Inmitten all des Chaos und der Wirren, zu Beginn des neuen Jahres, fand der Triu m phzug zur Feier des Sieges über Mithridates statt. Dies nahm Lucius zum Anlass, seinen Sieg über die Anhänger des Marius zu feiern und den restlichen Widerständlern seine Macht und seinen Einfluss vor Augen zu führen. Pracht und Reichtum der zur Schau gestel l ten Beute übertraf alles, was Rom bisher gesehen hatte. Doch Lucius brachte nicht nur Schätze aus der wiedereroberten Provinz Asien, sondern im se l ben Zug unmittelbar nach seiner Quadriga als den wer t vollsten und wichtigsten Teil des Triumphes den Te m pelschatz des abgebrannten Jup i tertempels. Die Gerüchte waren wahr gew e sen, der junge Marius hatte den Schatz geraubt und nach Praeneste schaffen lassen. Es handelte sich um mehrere Tonnen goldener und silberner Mü n zen, Kultgegenstände und edelsteinbesetzte Statuen, die hier ihren Weg zurück fanden. Was hätte die Berecht i gung von Lucius Vorwürfen besser illustr i eren können, als dieser Schatz. Sein Anblick und seine Geschichte en t zogen den Anhängern des Marius endgültig den letzten Rest an Glaubwürdigkeit und rechtfertigten Lucius’ Vo r gehen.
Zur Krönung dieses denkwürdigen Tages ließ L u cius sich vom Senat seinen alten Kriegsnamen als offiziellen Z u namen aner k ennen, so dass er nun Lucius Cornelius Sulla Felix war. Felix, der von Glück begünstigte, der Liebling der Götter.
Doch der Liebling der Götter dachte nicht d a ran, die Verfolgung seiner Feinde aufzugeben. Noch immer e r schienen Listen. Noch mehr Bürger und Sklaven als je zuvor strömten aus, um die Voge l freien zu ergreifen und sich dann ihre Belohnung zu
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