Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
holen oder in den allgeme i nen Wirren die Freiheit zu erla n gen.
Auch das Frühjahr schritt voran, und die Überlebenden ve r loren in den allgegenwärtigen Schrecknissen ihren Sinn für Verhältnismäßigkeiten. Mord und Gewalt waren zum Norma l zustand geworden, und wer ein wenig seine Beziehungen spielen lassen konnte, der mordete, wo er wollte, ließ die N a men der Opfer noch nachträglich auf die Listen setzen. All dies geschah unter den Augen des Felix, der in einem Rausch der Rache und der Vergeltung schwelgte. Die Bürger, die zum Beweis ihrer Taten die Köpfe der Erschlagenen zu seiner Villa brachten, mus s ten sie auf Tischen im Atrium aufbauen, wo bereits and e re Mörder ihre fürchterlichen Trophäen aufgestellt ha t ten. Nur die Gier nach Gold überwog das Grausen und die Furcht vor dem Mann, von dem man nicht wu s ste, ob er ein Retter gewesen war oder eine Heimsuchung sein sollte. O b wohl die Besucher ja selbst Mörder und Leiche n schänder waren, beeilte sich jeder, der nicht zu Lucius engsten Kreis gehörte, so schnell wie möglich wieder aus dem Umfeld des Diktators zu entkommen, um das Gesehene zu vergessen. Die wenigsten wagten es überhaupt, sich Gedanken zu machen, so schockie r end war der Anblick der halb verwesten Köpfe in dem einst prächtigen, jetzt aber zerstörten Innenhof. Hinter vorg e haltener Hand berichteten einige ihren engsten Freu n den, dass sie ges e hen hatten, dass nicht nur Fäulnis den Schädeln zugesetzt hatte, sondern dass die Köpfe noch zusätzlich beschädigt worden waren. Sie schworen Stein und Bein, dass es keinen Leiche n schädel in diesem Haus gab, der noch seine Augen hatte.
War es für die Besucher schon ein Ausflug in die Unte r welt, so wurde es für die Bedie n steten des Hauses zur Hölle.
Die Köpfe erfüllten das Atrium mit übelstem Ge s tank. War ihr Herr auch der erfolgreichste Feldherr der Welt und mächtigste Mann des Reiches, die B e dienstenten fürchteten ihn dennoch und hielten ihn immer mehr für einen gefährlichen Wahnsinnigen. Zu allem Überfluss entstellte ihn seine Hautkran k heit. Wo die Schrunden und Krusten sich ablösten, kam die neue Haut in hellem Weiß zum Vorschein. Er sah aus wie ein sich häutendes Tier, ja vielmehr noch so, als schälte sich aus der Tiefe ein neues W e sen hervor.
Lucius war von einer nicht ermüdbaren Umtriebi g keit. Vom frühen Morgen an bis tief in die Nacht saß er an seinem Schreibtisch. Man sah ihm an, dass die Anstre n gungen an ihm zehrten, doch er selbst versicherte immer wieder, dass er sich besser fühlte als je zuvor. Niemand im Haus wagte sich zu entspannen oder ruhig zu schl a fen, da zu den unmöglichsten Zeiten Befehle an die Se k retäre oder die Sklaven erteilt wurden, und als wäre das alles noch nicht beängstigend genug, stellte sich nachts der unheimliche Barbar ein. War der Hausherr sonst von den kleinsten Störungen so genervt, dass man mit einem Wutanfall rechnen musste, ließ er für diesen Besucher jede noch so wichtige Arbeit liegen, um ihm entgegenz u gehen, mit ihm zusammen die neuesten Schädel zu b e wundern und ihn dann in sein Arbeitszi m mer zu führen.
Die Bewohner der Villa fühlten sich wie in einem nicht enden wollenden Albtraum g e fangen. Die Nerven aller lagen blank, Streitereien und Fein d seligkeiten waren an der Tagesordnung. Besonders litten die jüngeren und rangniedrigen der Sklaven, die als Bli t zableiter für die Stimmungen der älteren he r halten mussten. Am schlimmsten hatte es einen Küchenjungen erwischt, de s sen hilflose Weichheit die Grausamkeit der übrigen a n heizte. Ungefähr sechzehn Jahre alt, blass, dünn und schüchtern, fo r derte er die Späße und Gemeinheiten der Übrigen geradezu heraus. Man ließ ihn bevorzugt im Atrium den Boden wischen und ergötzte sich an den Tränen, die er vor Ekel und Angst nicht unte r drücken konnte.
Als er bei dieser Beschäftigung einmal gegen einen Tisch gestoßen war, war einer der Köpfe mit einem satten G e räusch auf den Boden gefallen. Der Är m ste konnte sich kaum beruhigen, sein schrilles Kreischen hallte m e hrere Minuten lang durch die Halle. Zum Glück war der Hau s herr nicht anwesend gewesen. Die anderen waren froh über seine Panik, konnten sie sich doch in ihrem Spott von ihren eigenen Ekelgefühlen Luft machen. Der K ü che n junge musste sich übergeben, flehte und bettelte, man möge ihm in Zukunft andere Aufgaben geben, La t rinen putzen zum Beispiel, doch die Bediensteten bli
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