Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
samer war der Anblick eines Menschen der hier ruhig mitten in der Kammer stand. Noch nie hatte er seine Probleme mit den Augen als so lästig em p funden wie gerade jetzt. Glücklicherweise machte die Person einige Schritte auf ihn zu, so dass er in der kurzen Bewegung einen besseren Eindruck g e winnen konnte. Im ersten Moment glaubte er nichts anderes, als dass er sich getäuscht hatte. Er war sich nicht ganz sicher, ob er wirklich richtig gesehen ha t te und ging einige Schritte vor. Dann begann er um die Gestalt herumzugehen um das Bild fließend zu ha l ten. Endlich war er sich sicher. Er hatte alles erwartet, aber nicht das: es war eine Frau. Sie hatten ihn hier zusammen mit einer Frau eingesperrt. Mit einer jungen, rundlichen Frau, mit dichtem schwarzem Haar, das sie in Locken auf dem Kopf aufgesteckt hatte. Sie trug ein Gewand aus weißem Leinen, das bis zu ihren Fußspitzen reichte und um den Hals eine dünne Kette mit einem Amulett. Mit einem unsicheren Lächeln trat sie näher zu ihm und b e rührte mit den Fingerspitzen zögerlich sein Haar, das ihm lang auf die Schultern fiel. Man hatte es ihm nie g e schni t ten, um den barbarischen Eindruck aufrecht zu erhalten, den er damit machte. Jede n falls schien seine Besucherin angetan. Ihre Finger glitten von seinem Haar auf die Brust und streiche l ten über seine Oberarme. Es war nicht schwer zu erraten, was sie von ihm e r wartete. Er brauchte einen Moment, um sich von seiner Verblü f fung zu erholen. Im näc h sten Augenblick fragte er sich, wann er zum letzten mal eine Frau gehabt hatte, doch sofort spürte er die Gefahr, die hinter dieser Frage laue r te. Die Antwort würde ihn weit zurückführen in ein L e ben, für das es hier keinen Raum gab. Er beeilte sich, die grauen Schleier um seinen Geist dicht zusammenzuzi e hen. Für die unmitte l bare Zukunft brauchte er weder zu denken noch zu sehen. Sein Ve r stand legte sich behaglich in seiner Sandkuhle zurecht und überließ es einmal mehr seinem Körper, sich allein zurechtzufi n den. Er drückte die Frau an sich und ließ seine Hände ihren Rücken hi n ab gleiten.
Als die Wellen seiner Erregung abgeflaut waren, richtete er sich halb auf, um seine Gefährtin zu b e trachten. Die grauen Schleier waren verschwunden, er sah ihren b e wundernden Blick und fühlte ihre Hände, die über seine Flanken glitten. Und plötzlich wusste er, dass sie Recht hatte mit ihrer Bewu n derung, er schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Er war am Leben, er war lebendig, er war wertvoller als alles, was die reichsten Aristo k raten in ihren Palästen horten konnten. Er spürte das Blut in seinen Adern fließen und den das Strömen seines Atems in der Lunge, das Prickeln seiner Haut in der Kühle der Nacht und den wa r men Körper neben sich, der mit ihm da größte Geheimnis teilte, das G e heimnis des Lebens. Er war ihr dankbar, denn beinahe hätte er sich selbst ve r loren. Doch wenn er sich öffnete, wäre er in Todesgefahr, er würde seine traumwandler i sche Sicherheit verlieren und untergehen. Und so b e schloss er, diese Nacht auf seiner Insel zu verstecken und zu vergessen. Noch eine kurze Weile ließ er sich tre i ben, dann zog er die Schleier vor seinem Blick zusammen. Er legte sich neben ihr zurecht und schlief ein. Wenig später kamen die Wachen, um ihn abzuholen, einer schlug mit dem Stock auf seinen Rücken, um ihn beim Anziehen anzutreiben. Auch die Frau zog sich rasch an und noch bevor er einen letzen Blick mit ihr wechseln konnte, ha t ten die Wachen ihn an der Schulter gepackt und schoben ihn zurück, in Richtung Küche.
Von diesem Abend an brachten sie ihn hin und wieder einmal in die Wachstube, wo i m mer andere Frauen auf ihn warteten. Er hütete sich davor, noch einmal das g e fährl i che Glücksgefühl zuzulassen und vollzog von da an den Akt mit einer spielerischen Gleichgültigkeit, die dem fernen Lächeln einer a l tertümlichen Statue glich.
Audatus war mit sich und seinen Leistungen z u frieden. Dank seines neuen Vorgehens in der Le i tung seiner Schule und in der Auswahl seiner Trainer hatte er es g e schafft, dass das Ludus Magnus nun die unang e fochtene Spitzenposition einnahm. Sein Wort hatte wieder G e wicht in Diskussionen und bei den Gastmählern der Pa t rizier. Um sein Institut unter Kontrolle zu halten, hatte er begonnen, regelmäßige Besprechungen mit den Trai n ern abzuhalten. Das war wesentlich effektiver als selbst den Ausbildungsstand der einze l nen
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