Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
war.
Lucius wollte gerade Trebatius begrüßen, der als einer seiner letzten Gäste auf der Tribüne aufg e taucht war, doch die spannende Wendung des Kampfes ließ ihn i n nehalten. Er erstarrte mit au s gestrecktem Arm in der Bewegung, das Gesicht zur Arena gewendet. Trebatius befreite ihn aus seiner Verlege n heit, indem er rasch zu ihm trat, um ihm zur Begrüßung die Hand auf die Schu l ter zu legen. Neben Lucius stehend schien er ge n auso gebannt das Geschehen zu verfolgen, das ihn im Grunde aber kaum begeisterte. Als einer der wenigen Bürger der Stadt Rom brachte er herzlich wenig Interesse für die Kämpfe auf. Er war auch heute nur erschi e nen, weil er Lucius schätzte und nicht kränken wollte. Seine Kuns t sammlung und seine Bibliothek bedeuteten ihm hu n dertmal mehr als diese martia l ischen Aufführungen, es langweilte ihn eher, den verwickelten Kämpfen zu folgen. Jetzt allerdings konnte er doch ein gewisses Inte r esse aufbringen, denn sein Sammlerinstinkt war geweckt. Fr e undlich drückte er Lucius auf seinen Sitzplatz zurück und setzte sich daneben.
Unvermittelt und mitten in der Bewegung ereilte ihn ein Gefühl des Ekels und der Leere. Die an- und abschwe l lende Geräuschkulisse brachte ihm das Publikum übe r deutlich ins Bewusstsein. Plötzlich spürte er, dass er nicht mehr weiter wollte. Der Hass, den er bis jetzt für seinen Gegner empfunden hatte, übertrug sich im selben M o ment auf die schreiende Menge, so dass er nun nichts lieber wollte, als in jedes einzelne dieser brüllenden G e sichter spucken und seinen Abscheu hinausschreien. So kurz ihn dieses Gefühl auch überfallen hatte, es hatte genügt, seine Konzentration abzulenken. Der Murmillo hatte als erfahrener Kämpfer die G e legenheit gerochen und sich auf ihn g e worfen. Mit einer schnellen Bewegung wurde ihm den Dreizack aus der Hand geschlagen, die Waffe landete weit ab im Sand. Er hatte es gerade noch geschafft, die gepanzerte Linke zwischen sich und den rasenden Murmillo zu schieben, um diesem so die Mö g lichkeit zu nehmen, einen tödlichen Stich zu plat z ieren.
Sekundenlang lagen die beiden im Sand, scheinbar bew e gungslos und doch mit aller Kraft gegen e inander ringend. Schließlich rissen die Schiedsrichter die beiden auseina n der und erklärten den Kampf für beendet. Der Murmillo ließ von ihm ab, und wie von einem Besiegten erwartet wurde, kniete der Barbar sich in den Sand und senkte den Kopf. Der siegreiche Murmillo stellte sich schwer atmend über ihn.
Die Zuschauer tobten, sogar auf der Ehre n tribüne sprangen die Senatoren von den Plätzen, brüllten und schlugen mit der Faust in die nach oben geöf f nete Fläche der a n deren Hand. Die Entscheidung der Schiedsrichter wurde angezweifelt, der R e tarius hatte ja noch seinen kurzen Dolch am Gürtel, der Kampf war noch nicht beendet. Andere wünschten den Unterlegenen zur Hölle wegen der schlechten Form, in der er heute gewesen war. Jeder Anfänger könnte sich besser schlagen, brüllten die einen. Andere fluchten auf den Murmillo. Man war unz u frieden über den Verlauf, Pfiffe und Buhrufe hallten über das Forum. Lucius tauschte sich mit seinen Gästen aus, und man schüttelte verhalten die Köpfe. Minutenlang befasste sich noch niemand mit der Frage, die nun in der Hand des Publikums lag, nämlich, wie es mit dem besie g ten Barbaren weitergehen sollte. Der hatte zwar den Kopf g e hoben und blickte zur Ehrentribüne, aber man nahm es ihm übel, dass er es versäumte, die Linke um Gnade flehend zu erheben.
Er kniete im Sand seiner Insel vor der Hütte, aus deren geöffneter Tür blendendes Licht strahlte. Es überlagerte sich mit dem Glanz der tief stehenden Sonne, so dass er mehr ahnte als wirklich sah, dass zwei Vögel aus der Hü t te flatterten und sich nach einigen Hüpfern auf dem B o den in die Höhe schwa n gen. Als sie in der Luft waren, erkannte er, dass es Raben waren. Zugleich mit dieser Er k enntnis wusste er, dass die Tiere Namen hatten, und zu seiner eigenen Überraschung kannte er sie auch: H u gin und Munin. Er wusste nun auch, warum sie aus der Kate gekommen waren. Er war den Tränen nahe, denn er fühlte, dass er nun bald erlöst wäre. Die beiden Vögel waren gekommen um ihm be i zustehen, um ihm den Weg zu weisen. Er würde den Tod eines Kriegers sterben. Die Arena war das Schlachtfeld, und von hier aus würde er den Weg zurückfinden in eine Welt, die anderes für ihn bereit hielt als dieses ehrlose Dasein. Er
Weitere Kostenlose Bücher