Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
Hauslehrers und des neuen Leibwächters.
Timaios jubelte innerlich, es würde ihm nicht schwer fallen, immer wieder neue Berichte zu erfinden, mit d e nen er die Unmöglichkeit einer Rückkehr nach Rom b e gründen könnte. Darüber hinaus schickte er eine Fülle an Änderungsvorschlägen und Verbesserungen bezüglich des Dramas, so dass er fast schon der Penelope glich, die um Zeit zu g e winnen, das eben Verfertigte kurz nach der Vo l lendung wieder auftrennte.
Der Aufschub, den sie noch einmal bekommen ha t ten, war für ihn wie ein Geschenk der Götter. Die Vorste l lung, nach Rom zurückkehren zu müssen, hatte sich i n zwischen zu einer dunklen Bedrohung ausgewachsen, die wie eine Wolke über seinem Gemüt hing. Er verband mit dem Namen dieser Stadt nichts anderes als seine Zeit in der Schule, eine Zeit, die ihm mit jedem Tag, den er auf dem Gut verbrachte, grausiger und unwirklicher e r schien. Dass er wie ein halbnacktes Tier vor Hu n derten von Zuschauern auf einen a n deren Mann losgegangen sein sollte, kam ihm wie ein verrückter Albtraum vor. Hinzu kam die unbestimmte Furcht, in der riesigen Stadt auf irgendjemanden zu treffen, der mehr über ihn wusste als er selbst. Es war nur wahrscheinlich, dass es in Rom Me n schen geben musste, die ihn aus der Zeit vor seiner Verletzung kannten, und er fürchtete sich vor ihnen und vor dem, was sie ihm vielleicht entdecken konnten. Es war aber wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis sie die Rückreise antreten würden. Seit über einem Jahr lebte er nun im Dienst von Trebatius, irgen d wann wäre dessen Geduld am Ende und er würde eine Gegenleistung e r warten. Er konnte nur hoffen, dass die Umstände und die Gewitztheit von Timaios die Situation noch mö g lichst lange in der Schwebe halten würden. Er lächelte bei dem Gedanken an den Hauslehrer, der sich so viel Mühe mit ihm gab. Tatsächlich hatte er es geschafft, ihm Lesen und Schreiben be i zubringen, und sein Lehrer war darauf noch mehr stolz als der Schüler selbst. Ihre Diskussionen waren oft wenig harmonisch, er wusste selbst nicht, w o her er die Standpunkte b e zog, die denen seines Lehrers häufig entgegeng e setzt waren. Es tat ihm leid, Timaios durch seinen Widerspruch zu ä r gern, aber er war sich in diesen Momenten seiner Sache vollkommen sicher, so dass es ihm unmöglich schien, von seinen Ansichten abzugehen. Ihre gegenseitige Wertschätzung litt glückl i cherweise nicht darunter, so dass sie nach dem Ende ihrer Diskussionen so freundschaftlich wie immer mi t einander u m gehen konnten. Ihr Verhältnis weckte eine verborgene Resonanz in seiner Seele, so als erinnere er sich vage an einen anderen geliebten Lehrer. Dass T i maios ihn mit: „mein Junge“ ansprach, schien ihm völlig richtig und ein Ausdruck ihrer Verbundenheit und Freun d schaft.
Er hatte die Gewohnheit der ausgedehnten Wanderu n gen im Morgengrauen beibehalten. Irgen d wann hatte er entdeckt, dass es eine Strecke weiter südlich einen steilen Pfad gab, der die Klippen hi n unter zum Meer führte. Wenn er sich den Steig hi n untergetastet hatte und in das türkisblaue Wasser eing e taucht war, das klar war bis zum Grund, so erschien es ihm, als habe er sein ganzes verl o renes Leben lang genau nach diesem Ort gesucht.
Schlafen, Umherstreifen und Lernen gingen in e inander über, die Tage verschwammen, Wochen und Monate flossen dahin. Der Sommer war zu Ende, längst war wi e der die kühle Jahreszeit angebrochen. Wieder fa n den ihre Zusammenkünfte im Inneren des Hauses statt, und schon früh mussten sie sich mit Kohlebecken und wa r men Decken b e helfen, um die Kälte, die die scharfen Winde vom Meer brachten abzuwehren.
Es war spät geworden, sie hatten etwas mehr getrunken, als sie es üblicherweise taten. Doch der Wein half ihnen, die Müdigkeit aus den Gliedern zu treiben und die Ve r stimmung im Griff zu behalten, die der Mangel an Sonne und Wärme mit sich brachte. Timaios war besonders tröstungsbedürftig, denn üble Vorahnungen quälten ihn.
„Mein Junge, lange werde ich Trebatius wohl nicht mehr vertrösten können. Früher oder später werden wir zurück nach Rom müssen.“
„Ich weiß, warum ich nicht gerne zurückgehe, aber was ist mit dir, warum willst du nicht wieder nach Rom?“
Timaios zögerte mit der Antwort und trank stattdessen lieber noch einen Schluck Wein. Schließlich gab er sich einen Ruck. „Weil ich dort womöglich gekreuzigt we r de.“
Der „Junge“ zog die Luft durch die
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