Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
freudig gestorben wäre, denn das Leben schien nichts mehr für mich b e reitzuhalten. Doch Trebatius wollte sich den Ansprüchen seines Schwagers nicht fügen. Zu viel lag ihm an dem Drama, das ich für ihn zu schreiben hatte, er wollte auf keinen Fall darauf verzic h ten. So verfiel er auf den Plan, mich hierher schaffen zu lassen, bis Gras über die Sache gewachsen wäre. Doch ich fürchte, soviel Gras gibt es nicht auf der Welt, dass es seinen Schwager die Schmach vergessen machen könnte, dass sein einziger Sohn und Erbe sich einem Sklaven hingegeben hatte.“
Er wusste nicht, was plötzlich mit ihm los war, irgende t was an dieser Geschichte war falsch, irge n detwas war ganz entsetzlich falsch. Im Grunde war ihm der ganze Vorfall egal, er kannte den Geliebten seines Lehrers nicht und welche Eskapaden sich dieser erlaubt hatte, ging ihn am allerwenigsten e t was an. Dennoch steckte in dieser ganzen Sache etwas, das ihm eine elendige Übelkeit ei n flößte, eine Verstimmung, wie sie dem Au s bruch einer schweren Krankheit vorausgeht. Gepressten Tones ve r abschiedete er sich von Timaios, der so von seinen Eri n nerungen gefangen genommen war, dass er die Veränd e rung seines Schülers nicht wah r nahm.
„Gute Nacht, mein Junge“, verabschiedete er sich, was dem „Jungen“ einen weiteren Schauer über den Rücken jagte und ihn veranlasste, die Kanne mit Wein zu packen und fluchtartig den Raum zu verlassen. In seinem Schla f zimmer angekommen, setzte er sich auf die Kante seines Bettes und ve r suchte sich zu beruhigen. Er dachte nicht daran, sich Klarheit über seine Probleme mit der G e schichte des Timaios zu verschaffen, sondern wollte das Ganze nur möglichst schnell vergessen. Hastig trank er den unvermischten Wein aus der Kanne in der Hof f nung, Betäubung und Erleichterung zu fi n den. Als er die Karaffe leer getrunken hatte, warf er sich auf das Bett. Lange fand er nicht in den Schlaf, sondern wälzte sich gequält von einer Seite auf die andere.
Er musste doch irgendwann eingeschlafen sein, denn die Schmerzen trafen ihn völlig unvorbereitet und schutzlos. Er versuchte sich anders zu legen, um dem Stechen, das er im Magen fühlte zu entg e hen, doch es wurde immer stärker, es fühlte sich an, als wollte ihn jemand in der Mitte auseinander sägen. Noch im Halbschlaf rollte er sich auf den Boden und kauerte sich gekrümmt zusa m men. Das Atmen fiel ihm schwer, nur nach und nach konnte er sich aus den Wi r rungen seiner schweren Träume befreien. Doch was sich nun in seinem klarer we r denden Geist formte, war nicht dazu angetan, ihm seine Schmerzen zu nehmen.
Er kniete im Sand vor der Kate, in der ein Feuer au s gebrochen war, zwischen den Ritzen der sonst so düst e ren Hütte leuchtete ein grelles Licht in die Dämmerung über seiner Insel. Die See um ihn schlug in hohen Br e chern gegen das Ufer, Gisch t fetzen lösten sich aus den Wellen und flogen durch die Luft, wo sie auf den Boden trafen, bildeten sich dunkle Flecken. Einige Spritzer tr a fen ihn, als er auf eine feuchte Stelle auf seinem Arm sah, packte ihn das Grauen. Was er für Gischt des Meerwa s sers g e halten hatte, war Blut. Dickes, schaumiges Blut wie es die aushusten, die einer Lungenverletzung krepi e ren. Mü h sam unter Schmerzen hob er den Kopf, um sich umzusehen, und nun erkannte er zum ersten Mal die Blutfarbe seines Meeres. Ein neuer Anfall krümmte ihn zusammen und nahm ihm die Luft zum A t men. Erst nach einiger Zeit konnte er den Blick wieder auf die Hü t te richten, in der das Feuer weiter tobte. Die Fla m men schlugen durch das Dach der Kate. Er fragte sich, was an dem windigen Bauwerk dem Feuer solche Nahrung ve r schaffen konnte. Der Brand im Inneren nahm an Gewalt noch weiter zu, bis plötzlich die Fla m men durch die Tür schlugen, die in ihren Angeln aufflog. Ein Fe u ersturm wehte aus der kleinen Hütte, und das erste, was er in dem Lodern erkennen konnte, war die Gestalt und das G e sicht des Menschen, den er am meisten von allen und noch über das Grab hinaus hasste. Doch hinter Wid drängten weitere Gestalten in den Flammen nach dra u ßen und auf ihn zu. I m mer dichter und schneller wurde der Strom der Gesichter und Kö r per, der Namen und Geschichten, die ihr Gefängnis ve r ließen und sich auf ihn stürzten. Ein Wispern und Raunen, Stimmen und Gerä u sche umgaben die wilde Prozession, der er hilflos ausg e liefert war, deren Anblick seine Schmerzen ins Unerträ g liche steigerte. Er
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