Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
erkannte alle, Männer, Frauen, Kinder, und er wusste die Wahrheit, die ihm niemand zu sagen br a uchte. Alle, die hier auf ihn einstürmten, waren tot, alle kamen zu ihm, der überlebt hatte. Er hatte sich n e ben i h nen in der Kuhle geborgen gefühlt, beschützt von einem Meer von Blut, doch sie hatten ihm nur einen Au f schub gewährt. Jetzt waren sie hier, freigelassen aus ihrem Gefängnis, der ve r fallenen Kate, deren Geschichte er nun wieder kannte. Seine Abstammung, sein Rang und sein Wissen erschi e nen wie eine ironische Anmerkung angesichts seiner Schuld und der Schande seines Überl e bens.
Timaios schreckte auf. Er lauschte in die leere Villa, ob sich ein Geräusch wiederholte, das ihn vielleicht aus dem Schlaf gerissen haben könnte, doch die Stille blieb u n durchdringlich. Dennoch konnte er seine U n ruhe nicht abschütteln. Er stand auf, füllte neues Öl in sein Läm p chen, öffnete die Tür und tastete sich durch die dunklen Gänge zum Zimmer seines Mitbewohners. Leise klopfte er, doch aus dem Raum war kein Laut zu vernehmen. Kopfschüttelnd wandte er sich zum Gehen als er ein schwaches, schabe n des Geräusch vernahm. Er drehte sich n o chmals um und drückte gegen die Tür. Sie öffnete sich, und vor ihm auf dem blanken Steinboden lag der zusammen gekrümmte, bewegungslose Körper seines Schülers. E r schrocken kniete er neben ihm nieder und fasste ihn an der Schulter, er fühlte sich kalt an, aber es war nicht die Kälte des Todes. Timaios atmete erleic h tert auf und erst jetzt konnte er eine Frage stellen:
„Was ist los, was ist dir geschehen?“
Nur mühsam drehte der Angesprochene seinen Kopf, und Timaios erschrak über das schmerzverzerrte G e sicht. Er fasste den Zusammengekrümmten unter den Achseln und wollte ihn zurück auf das Lager ziehen. Doch der verkrampfte Körper war zu schwer, und sein Schüler schien völlig bewegun g sunfähig. Timaios riss die Polster von dem R u hebett zu Boden, wo es ihm leichter fiel, den Kranken darauf zu legen. Die Krämpfe schi e nen sich etwas zu lösen, die Gesichtszüge entspannten sich langsam, doch der Blick der Augen, die sich auf Timaios richteten, war kalt und fremd.
„Sag doch bitte was mit dir los ist, was ist gesch e hen, mein Junge?“
Statt einer Antwort zog sich die Hand zurück, die Tima i os ergriffen hatte, der „Junge“ richtete sich etwas auf, was ihm aber sofort Schmerzen zu ber e iten schien. Er sank zurück und fixierte den Hauslehrer mit sta r rem Blick. Schließlich sagte er: „Mein Name lautet Agnar.“
Timaios war nun völlig verwirrt. Was faselte sein Schüler hier? Was war das für ein ba r barischer Name? Hatte er nicht erzählt, er hätte seinen N a men vergessen? Jetzt wusste er ihn dann wohl wieder. Waren ihm womöglich noch andere Eri n nerungen zurückgekommen? Weniger erfreuliche. T i maios versuchte sich an die Geschichten vom Feldzug gegen die Barbaren zu eri n nern. Ihr schreckliches Ende am Padus... T i mais zog zischend die Luft durch die Zähne. Das wäre eine Erklärung für di e sen Anfall. Statt jedoch Mitleid mit seinem Schüler em p finden zu können, grauste es ihm lan g sam vor dessen kalten Augen und der unbewegl i chen Haltung.
„Ich werde die Küchensklaven wecken, sie sollen g e wärmten Wein bringen und mehr Polster.“
Dann floh er in Richtung Küche.
Ein schweres Fieber befiel den Barbaren. Die B e wohner der Villa befürchteten schon, dass das Wechselfieber sie aus den Sümpfen Roms eingeholt hätte. Sie verbrannten hei l same Kräuter und holten weise alte Frauen, um sie Bannsprüche aufsagen zu lassen. Mehrere Tage war der Kranke nicht orie n tiert oder ansprechbar, und nur schwer gelang es, ihm Flüssigkeit einzuflößen. Als es ihm etwas besser ging, war er eines Morgens wieder ve r schwunden.
Der Weg zu den Klippen erschien ihm dr e imal länger als er ihn in Erinnerung hatte. Die Unebenheiten des B o dens machten ihm zu schaffen, und er musste sich mehrmals se t zen und durchatmen bevor er weiter kam. Noch war es dunkel, als er den Platz an der Steilküste erreicht hatte, doch im Osten zeigte ein schmaler Streifen helleren Blaus, dass die Dämmerung nahte. Die letzten Tage waren die Hölle für ihn gewesen. Das Gefühl der Schuld und die Schande erdrückten ihn, lebend das Schlachtfeld verlassen zu haben, während sogar kleine Kinder mit dem König ins Jenseits gegangen waren. Er war zu dem Schluss gekommen, dass er sein Überleben einem unglücklichen Zufall zu
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