Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
Das Ganze wirkte eher wie ein Heili g tum zu Ehren eines seltsamen Go t tes denn als die etwas reduzierte, wenn auch unendlich kostbare Auslage eines Raritätenhändlers. Agnar prallte zurück. Dass er ausg e rechnet hier mit einem Gegenstand aus seiner Heimat konfrontiert wurde, hatte ihn völlig unvorbereitet getro f fen. Zögernd trat er wieder an die Nische, um den Stein zu b e trachten. Er erinnerte sich daran, dass auch er als kleines Kind ganze Tage damit verbracht hatte, so l che Steine am Ufer des Meeres zu suchen. Als sie aufgebr o chen waren, hatten sie einige Säckchen davon mitg e nommen, die sie aus den Trümmern hatten retten kö n nen, um sie im weiteren Verlauf ihrer Reise als Tausc h ware zu verwenden. Irgendwann waren sie dann alle ve r braucht gewesen, und er hatte nie mehr daran gedacht. Bis heute. Lange starrte er in die Nische ohne zu bli n zeln. Das Licht der Lämpchen ließ seine Augen brennen. Die Erinnerungen, die der Stein in ihm wachrief, b e schäftigten ihn so sehr, dass er nicht b e merkte, dass er nicht mehr allein im Raum war. Er erschrak, als er hinter sich ein Räu s pern vernahm und fuhr herum.
Vor ihm stand ein älterer Mann, der ihn au s giebig, aber mit fast ängstlicher Mine mu s terte. Seine beleibte Statur schien auf einen behäbigen ruhigen Lebensstil hinzuwe i sen, doch sein gefurchtes G e sicht, in dem die Augen tief in den Höhlen lagen, ließ viele schlaflose Nächte und viele Sorgen era h nen.
„Da bist du ja endlich!“
Der Tonfall, in dem dies gesprochen wurde, klang eher resigniert als ungeduldig. Agnar kramte den Beutel aus den Falten seiner Tunika und wollte sie dem Mann g e ben.
„Ich komme von Trebatius, um die Schatulle abzuh o len.“
Der Mann winkte ab.
„Lass gut sein. Ich glaube, wir haben anderes zu bespr e chen. Komm mit mir.“
Der Mann drehte sich um und verließ den leeren Ve r kaufsraum durch eine Tür an der Rückwand. Agnar fol g te ihm, ratlos und neugierig zugleich.
Der angrenzende Raum machte einen deutlich geschäft i geren Eindruck als das leere Ladenlokal zur Straße hin. Durch einen hölzernen Laden vor dem Fe n ster drang das Licht in breiten Streifen in das Innere, das von einem riesigen Schreibtisch b e herrscht wurde. An den Wänden standen Truhen und Schränke, in denen man Schriftro l len liegen sah. Feine Staubteilchen tanzten in den Lich t streifen, Staub lag auch auf dem Fußboden und auf den Deckeln der Truhen. Der Ladeni n haber bot ihm einen Sessel vor dem umfangreichen Tisch an und setzte sich selbst in einen Stuhl dahi n ter. Agnar hatte den Eindruck, dass der Mann sich erst etwas entspannte, als er den ma s siven Tisch wie eine Barriere zwischen sie beide gebracht hatte. Nach einer kurzen Stille fing sein Gastgeber an zu sprechen.
„Mein Name ist Marcus Crispinus, ich bin der B e sitzer dieses Ladens.“
Angesichts dieser wenig einladenden Lok a lität klang das erstaunlich selbstbewusst. A g nar antwortete:
„Mein Name lautet Flavus, ich bin Leibwächter bei Tr e batius und...“, weiter kam er nicht, denn Crispinus hatte ihm mit einer Handbewegung das Wort abgeschnitten und war aufgestanden.
„Es interessiert mich nicht, welchen Namen du dir zug e legt hast, denn ich weiß, wen ich hier vor mir habe. Das heißt, ich wusste es von dem Moment an, als ich dich zum ersten Male auf dem Forum wie d ergesehen habe. Ich habe darum gebetet, dass du nicht l e bend aus der Arena kommen solltest, doch die Götter haben es anders bestimmt.“
Marcus ging zum Fenster und starrte durch die Spalten des hölzernen Ladens. Nach einer kurzen Pause drehte er sich wieder um, fuhr sich durchs spärliche Haar und fuhr fort:
„Als ich erfahren habe, dass du freigelassen wur d est, wusste ich, dass du früher oder später den Weg zu mir finden würdest. Du bist der Sohn des B o jord.“
Agnars Puls beschleunigte sich, er fühlte sich wie in einer Falle gefangen.
„Woher willst du das wissen?“
„Ich habe fast ein Jahr am Hofe deines Vaters g e lebt. Ich habe ihn wiedergesehen, als ich in der Armee als Übe r setzer dienen musste – ihn, und dich ebenfalls. Vielleicht ist es gut, dass du hier bist, vielleicht kannst du mir ja helfen und mich von m e inen Träumen erlösen.“
„Was sollte ich mit deinen Träumen zu scha f fen haben?“ Agnar wurde die ganze Ang e legenheit zu viel.
„Einiges. Du oder zumindest die Ereignisse, in die wir beide verwickelt waren. Ich brauche etwas Zeit, um dir zu erklären, dass ich alles
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