Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
um vielleicht e i nen wunden Punkt oder eine Schwäche zu entdecken. Das, was ich bisher versäumt hatte, versuchte ich nun nachz u holen. Ich schilderte die Hochherzigkeit und die Ehre des Königs und seiner Krieger in den glühendsten Fa r ben, ich zeigte den Weg zu einer friedlichen Lösung. Meine Worte überzeugten große Teile des Senats von der Machbarkeit dieses Vorschlags. Wir standen kurz vor der Entsendung einer Gesan d tschaft, als Marius sich zu Wort meldete. Er hatte damals gerade den Sieg über Jugurtha errungen und unternahm nun alle Anstre n gungen, seine Position weiter auszubauen. Alle fanden, dass ein Sieg besser sei als ein erzwungener Frieden unter gleichrang i gen Partnern, und so hatten er und seine Ve r bündteten wenige Schwierigkeiten, das Volk von Rom auf ihre Seite zu bringen. Man muss dazu sagen, dass er sich seiner Sache ganz sicher war. Er hatte damals die Armee grun d legend verbessert und konnte alle Truppen zum Feldzug gegen deine Leute zusa m menziehen. Damit hatte er zum ersten Male eine wirkliche Chance. Die Götter sind me i ne Zeugen, dass ich versucht habe, auch ihn mit meinen Arg u menten zu überzeugen, doch seine Pläne verlangten nach einer militärischen Lösung. Unter dem Vo r wand, ein Geheimnisträger zu sein, wurde ich zur Armee eing e zogen und gefangen gesetzt. Marius verhinderte so, dass ich noch einmal versuchen konnte, meinen Rat im Senat zu wiederholen. Schließlich übergab ihm das Volk das Kommando als Konsul und Oberbefehlshaber der Tru p pen. Er hatte sich nicht verrechnet. Zunächst bezwang er eure Ve r bündeten, dann gelang es ihm, deinen Stamm zu vernichten. Das heißt, einen Grossteil der Mühe haben deine Leute ihm ja abgeno m men.“
Marcus stockte, dann fing er sich wieder.
„Ich habe noch nie so viele Leichen gesehen, und ihr Anblick verfolgt mich. So viele Menschen sind gesto r ben, deine Leute und Römer. Bitte verzeih mir. Und bitte erlöse mich von meinen Träumen.“
Die Stille war lang und schwer. Von dem ganzen Mon o log schwirrte Agnar nur ein Name im Kopf: Marius. Endlich hatte sein Feind ein Gesicht. Endlich konnte er jemanden benennen, der Schuld hatte an dem, was g e schehen war. Es war also kein unvermeidlicher Schic k salsschlag gewesen, der ihren Untergang besiegelt hatte, kein Zusammenstoß zweier Welten, sondern das polit i sche Kalkül eines Einzelnen oder zumindest einer kle i nen Gruppe. Deshalb war er am Leben geblieben. De s halb ko n nte Odin ihn zum Rächer bestimmen. Es war überhaupt nicht nötig, gegen ein Weltreich a n zukämpfen, der alte Mann hier hatte ihm seine Feinde gezeigt. Er selbst würde einen Weg finden, Odins Willen zu vollstr e cken. Er gab sich einen Ruck und sah den Händler an, der erwartungsvoll zurückschaute.
„Ich muss dich enttäuschen. Wenn es ein Mi t tel gegen böse Träume gäbe, wäre ich der erste, der es benötigte. Was aber die A b sichten und das Geschenk meines Vaters betrifft, mir gegenüber hat er sich nie über das Geschenk, diesen Kessel geäußert. Ich weiß nicht, was er dir damals gegeben hat, aber mein Vater war ein schlauer Fuchs. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Gege n stand für ihn die Bedeutung hatte, die er ihm dir gegenüber beigelegt hat. Wahrscheinlich war es nur irgendein altes, verga m meltes Ding, das er proble m los entbehren konnte. Was das Ziel unserer Reise anlangt, so war es uns egal, ob wir uns in Rom oder sonst wo niedergelassen hätten. Alles, was wir suc h ten, war Land, fruchtbares Land, das unsere Bauern bestellen konnten und das uns alle ernähren wü r de. Was scherte uns Rom.“
Crispinus schien wie vom Donner gerührt. Etwas säue r lich antwortete er:
„Vielleicht stimmt das, was du sagst, doch ich glaube vielmehr, dass du mich nur beruhigen willst.“
Er hob die Hand, um Agnars Einwände a b zuschneiden.
„Nein, sag nichts, ich bin dir dankbar für di e sen Versuch, auch wenn du mich nicht überzeugen kannst. Gib mir die Börse, die Trebatius für mich mitgegeben hat.“
Agnar hatte seinen Auftrag völlig vergessen und war froh, dass der Händler daran dachte. Im Stillen wunderte er sich, dass der Mann seinen ehrlich g e meinten Worten keinen Glauben schenken wollte, sondern lieber in der Vorstellung seiner Schuld verharrte. Mit einem Achselz u cken verbuchte er das unter eine der Unverständlichke i ten der römischen Mentalität.
Crispinus war zu einer der Truhen gegangen und hatte eine Zeitlang darin herumgekramt. Als er
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