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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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so vielen Fleischfressern das Leben kosten konnte.
    Die Teufel behielten Peter im Blick, bereit, auf sein Zeichen hin anzugreifen. Jeder einzelne von ihnen hätte, ohne zu zögern, sein Leben geopfert, wenn auch nicht für die Dame, sondern für Peter, ihren Heiland.
    Wie viele noch, Peter?
, fragte Nick sich.
Wie viele Leben wird sie noch kosten?
    Peter bemerkte Nicks Blick und sah weg.
    »Das wird ein Zusammenstoß!«, schrie Dirk plötzlich.
    Peter schlüpfte unter der Reling hindurch zu Nick zurück und hielt sich fest. »Nick«, sagte er. »Sie
ist
Avalon. Begreifst du das denn nicht? Wenn wir sie retten, dann war vielleicht nicht alles umsonst. Vielleicht gibt es dann noch eine Möglichkeit, noch einmal von vorne anzufangen.«
    Für Nick war unübersehbar, dass jede Reue, jedes Schuldgefühl, das Peter möglicherweise wegen all der Toten empfunden hatte, dahin war, ganz und gar vergessen. Es ging ihm nur noch um die Dame, seine teure Dame.
Kein Preis ist zu hoch, hab ich recht, Peter?
    Die starken Triebwerke der Fähre wechselten zu spät in den Rückwärtsgang. Nick hielt sich fest. Das riesige Schiff schoss nur knapp an den Pfosten vorbei – zumindest an der ersten Reihe. Dann durchlief ein entsetzlicher Ruck die Fähre, als sie gegen die zweite knallten, gefolgt von einem tiefen Knirschen und Quietschen, als der Rumpf auf das Dock prallte. Mit einem letzten Ruck, der den Großteil der Passagiere auf das Deck schleuderte, kam die Fähre zum Stehen. Diejenigen, die noch dazu in der Lage waren, rappelten sich auf und kletterten übers Gattertor, bevor die Hafenarbeiter die Fähre auch nur vertäuen konnten, ohne sich dabei um Kinder, Alte und Verletzte zu scheren.
    Die Fähre verfügte über zwei Landestege, damit die Passagiere sie von beiden Decks aus verlassen konnten. Nick beobachtete, wie Passagiere und Besatzung aus dem oberen Deck herausströmten und sich dabei in ihrer Panik gegenseitig schubsten und abdrängten. Derweil verließen die Fleischfresser die Fähre gemessenen Schritts über den unteren Landesteg.
    Mit einem Mal wurde Nick klar, dass die Zivilisation ihn wiederhatte, dass er endlich frei war. Zumindest für ihn war der Albtraum nun vorbei.
Mein Gott, ich bin wieder hier! Ich bin zu Hause!
    »Auf geht’s«, rief Peter. Er rutschte die Leiter an der Außenwand der Fähre hinunter und sprang aufs Oberdock. Die Teufel und Elfen folgten ihm dichtauf. Die Hexe und ihre Brut krabbelten zum Landesteg hinunter, an der Wand der Fährstation hinauf und verschwanden auf dem Dach. Der Troll begann die Sprossen hinunterzusteigen.
    Grille wollte Peter hinterhereilen, doch Nick hielt sie fest. »Warte«, sagte er.
    »Wie? Nein. Sonst entwischen sie uns.«
    »Genau.«
    »Nein, Nick. Wir müssen sie retten.«
    »Spinnst du? Grille, hör mal, wir sind da. Wir sind zurück! Wir müssen Peters Spiel nicht mehr mitspielen. Es ist vorbei.«
    »Es ist nicht vorbei. Tanngnost hat gesagt, wenn wir sie retten können, dann kann sie Avalon vielleicht wieder aufbauen. Sie wollen in die Wildnis gehen und noch mal von vorne anfangen. Alle zusammen. Du kannst auch mitkommen, wenn du willst.«
    Nick stieß ein niederträchtiges Lachen aus. »Nach all ihren Lügen glaubst du ihnen das?«
    Grille riss ihren Arm aus seinem Griff. »Ja. Woran soll ich denn sonst glauben? Wohin soll ich sonst gehen? Die Teufel
sind
meine Familie! Vielleicht lernst du ja eines Tages, was das bedeutet!« Sie wirbelte herum, rutschte die Leiter zum Landesteg herunter und drängte sich durch die Menge.
    Na schön
, dachte Nick.
Schön. Geh dich töten lassen. Du wirst ja sehen, ob ich auch nur einen Scheiß drauf gebe
. Er sah zu, wie sie sich in die Menge stürzte. Hier, unter all den Erwachsenen, wirkte sie auf einmal so klein. Im dichten Gedränge wurde sie hin und her gestoßen. Irgendein Geschäftsmann rannte an ihr vorbei und schubste sie dabei gegen die Wand. Grille stolperte und versuchte, sich weiter vorzukämpfen, aber dann prallte eine große, rotgesichtige Frau mit ihr zusammen und stieß sie zu Boden.
    »Verdammt noch mal«, rief Nick, sprang hinunter und bahnte sich eilig einen Weg zu dem Mädchen. Er stieß einen Mann beiseite, packte Grille am Arm und zog sie auf die Beine.
    Sie riss sich von ihm los. »Ich brauche deine Hilfe nicht.«
    »Klar, sieht man.«
    Überall schrillten Alarmsirenen. Nick suchte nach einem Ausgang, und sein Blick fiel auf Tanngnost, der weiter vorne war. Der Troll hatte keine Probleme damit, sich einen Weg

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