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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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was gerade im großen Haus gegessen wurde, fragte sich, warum sie ihn den wilden Tieren überlassen hatten. Er stieß einen der Stiefel im Eingang an, sah zu, wie er hin und her baumelte, und fragte sich, was für ein Kind ihn wohl getragen hatte und ob dieses Kind von seiner Familie im Wald ausgesetzt worden war.
    »Goll?«
    »A-yuk.«
    »Wessen Schuhe sind das?«
    »Von kleinen Jungen. Kleinen Mädchen.«
    »Warum hast du ihre Schuhe?«
    »Musst sie abnehmen, bevor du essen kannst.«
    »Sie essen?« Dann begriff er. »Die Kinder?«
    »A-yuk.«
    »Du
isst
Kinder?«
    »Nur, wenn ich sie erwische.«
    Peter starrte schweigend auf die Schuhe. »Ich glaube, ich würde nicht gern Kinder essen.«
    »Würden dir schmecken. Sehr zart. Sehr saftig. Viel besser als Spinnensuppe.«
    »Woher kommen die Kinder?«
    »Aus dem Dorf.«
    »Wo ist das Dorf?«
    »
NEIN!
Nicht vom Dorf reden. Du gehst nie zu Dorf. Dort sind Menschen. Menschen sehr schlecht.
Sehr
gefährlich.«
    »Gefährlicher als der Wolf?«
    »Ja. Viel mehr gefährlich.«
    Peter stieß erneut den Schuh an. Er hätte gerne ein anderes Kind gehabt, das ihm Gesellschaft leistete. »Goll, wenn du mal wieder eines fängst, kann ich es dann behalten? Wir könnten ihm einen Käfig bauen. In Ordnung?«
    Goll legte den Kopf schief und schaute Peter an. »Du sehr seltsam. Du bleibst weg vom Dorf.«
    Peter kam zu Goll zurück und setzte sich ans Feuer. Er blickte auf den Kaninchenschenkel in Golls Schüssel und dann zu Goll auf und schmatzte mit den Lippen.
    »Nicht betteln. Hasse betteln.«
    Peter schob die Unterlippe vor.
    Goll verdrehte die Augen und sah ihn finster an. »Da«, knurrte er. »Nimm.« Goll schob seine Schüssel zu Peter hinüber und sah zu, wie der Junge den Kaninchenschenkel verschlang. Nach einer Weile zuckte ein Lächeln in den Mundwinkeln des Moosmanns. Er schüttelte den Kopf, kroch in sein Felllager und schlief ein.
    Peter aß das Kaninchen auf, lehnte sich zurück und erfreute sich an dem warmen Fleisch in seinem Bauch. Seine Lider wurden schwer.
Es wäre wirklich nett, ein Kind zum Spielen zu haben
, dachte er.
Ich könnte ihm das Jagen beibringen, und
… Dann kam Peter ein neuer Gedanke.
Und zusammen könnten wir diesen bösen, alten Wolf töten
. Plötzlich war Peter hellwach.
Ich wette, ich kann mir eins fangen. Ich bin mir sogar sicher, dass ich das kann
.
     
    Peter beobachtete die Männer aus einem Wildbeerengebüsch heraus. Er war noch vor Morgengrauen aufgebrochen, um sich auf die Suche nach dem Dorf zu machen, und hatte sich dabei weit südlich von Golls Hügel vorgewagt, weiter als je zuvor. Er war auf eine Straße gestoßen, und bald darauf hatte er Pferde gehört. Den größten Teil des Vormittags über hatte er die Tiere verfolgt. Jetzt tranken sie aus einem Wasserlauf. Vier Männerstreckten neben den Pferden die Beine aus. Es waren gedrungene Gestalten mit dichten, geflochtenen Schnurrbärten und vollen Kinnbärten. Sie hatten Bronzeringe in den Ohren und trugen lederne Reithosen und Wolltuniken. Drei von ihnen hatten große Langschwerter an den breiten Gürteln mit Bronzenieten hängen. Der vierte Mann trug Fellkleidung und eine Doppelaxt. Nachdem Peter so lange bei Goll gelebt hatte, erschienen ihm diese Männer wie furchteinflößende Riesen. Peter begriff, warum Goll solche Angst vor ihnen hatte.
    Mit den dreien reiste eine stämmige Frau mit rundem Gesicht und flachsfarbenem Haar, das ihr in dicken Zöpfen vor der Brust hing. Ihr langes Kleid war über ihren breiten Hüften von einem breiten Gürtel zusammengehalten, der mit ineinander verschlungenen Bronzeringen verziert war. Doch in erster Linie fesselten die Kinder Peters Aufmerksamkeit. Er schob den Kopf seines Waschbärenpelzes zurück, um besser sehen zu können. Es waren drei: zwei Jungen, etwa in seinem Alter, und ein Mädchen, das vielleicht zwei Jahre jünger aussah. Die Jungen trugen nur Kniehosen und Sandalen, das Mädchen hatte ein leuchtend rotes Kleid an. Wie gebannt beobachtete Peter, wie sie Fangen spielten und dabei über Baumstämme sprangen und durch den Wasserlauf hopsten.
    Sobald ein Junge den anderen abschlug, ging die Jagd von vorne los. Das kleine Mädchen lief beiden nach und rief ihnen zu, dass sie es mitspielen lassen sollten, bis sie schließlich mit wilden Grimassen und zu Klauen verkrümmten Händen auf die Kleine zurannten. Das Mädchen lief schreiend zu seiner Mutter, und die beiden Jungen kugelten sich vor Lachen. Peter erwischte sich dabei, wie er

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