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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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sich nicht bewegen. Er konnte nichts tun, außer in sprachlosem Entsetzen zuzuschauen.
    Ein riesiger Kerl mit einem dichten schwarzen Bart und einem langen Messer trat auf Goll zu. Der Moosmann starrte die Klinge mit schreckgeweiteten Augen an.
    Der bärtige Mann packte Goll beim Schopf und riss ihm den Kopf zurück. Erst schnitt er ihm das linke Ohr ab und dann das rechte. Während der Gepeinigte verzweifelt strampelte, lachten die Männer, und die Hunde heulten und rannten in dichten Kreisen um ihn herum.
    Der Mann stieß seine Klinge in Golls Bauch. Der Moosmann schrie und zuckte krampfhaft, als der Kerl ihm den Wanst aufschnitt. Er hakte die Klinge in eine Darmwindung und zog sie halb aus der Wunde. Dann pfiff er nach den Hunden. Die Hunde schnappten nach dem Stück Darm und rissen es weiter heraus. In nassen, sich ringelnden Schlaufen fielen Golls Eingeweide in den Dreck, wo die Hunde sich um sie balgten, während der Moosmann vor Schmerz jaulte.
    Mit versteinerter Miene verfolgte Peter das Geschehen. Er war unfähig, sich zu bewegen oder zu weinen, brachte kaum ein Blinzeln zustande. Er sah zu. Er verpasste nichts.
    Nach langer, viel zu langer Zeit hörte Goll auf zu schreien. Sein Kopf sackte nach vorne, und er hing reglos da.
     
    Als die Männer fort waren, stand Peter auf und ging den Hügel hinab. Er weinte nicht, und er spürte auch weder den Schnitt an seiner Hüfte noch die Wunde am Kopf. Er spürte nicht einmal den Boden unter seinen Füßen. Er spürte gar nichts. Der Junge bewegte sich langsam, bedächtig.
    Er fand Golls Knochengriffmesser und schnitt den Moosmann los. Zu Peters Überraschung öffnete dieser die Augen.
    »Sei tapfer, Petervogel«, krächzte Goll. »Töte den Wolf.« Das war alles. Die Augen des Moosmanns wurden glasig.
    Peter steckte sich Golls Messer in den Gürtel, sammelte seine Speere ein und machte sich auf den Weg nach Norden, weg von dem Dorf. Er hatte keine klare Vorstellung davon, wo er hinwollte, außer, dass er weg von dem Dorf musste, weg von den Männern.
    Es dauerte nicht lange, da hörte er den Wolf, der seiner Fährte gefolgt war. Peter blieb auf einer Lichtung stehen, drehte sich um und wartete. Das einohrige Tier erschien. Es verzog die Lippen, als wollte es den Jungen auslachen, als wüsste es, dass er nun ihm gehörte.
    Peter wich nicht zurück, zögerte nicht. Er ließ den leichten Speer fallen und hob den schweren auf Schulterhöhe. Das Messer mit dem Knochengriff nahm er in die andere Hand. Er schaute dem Wolf in die Augen und rannte direkt auf ihn zu.
    Der Wolf wirkte verwirrt.
    Peters Augen blitzten, und er stieß ein grausiges Heulen aus. Der Wolf wich zurück.
    Peter warf den Speer.
    Der Wolf duckte sich, um dem Speer auszuweichen, und im selben Moment sprang Peter vor und bohrte ihm Golls Messer tief in die Flanke.
    Der Wolf stieß ein Winseln aus und rannte davon, doch nach ein paar Sätzen schwankte und taumelte er, und seine Hinterläufe knickten ein. Er atmete ächzend und gurgelnd.
    Peter las seinen Speer auf und folgte dem Tier.
    Der Wolf verharrte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als hechelnd dazustehen und zuzusehen, wie der Junge auf ihn zukam, um ihn zu töten. Blut troff ihm aus der Schnauze.
    Peters Blick war kalt, frei von Hass oder Mitgefühl, der Blick eines Raubtiers. Er stieß dem Wolf seinen Speer mitten ins Herz. Der Wolf zappelte, zuckte und lag schließlich reglos da.
    Peter starrte eine ganze Weile auf den Wolf herab. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Eine Träne rann ihm über die zerschundene,geschwollen Wange, und dann noch eine und noch eine. Peter fiel vor dem Wolf auf die Knie und fing an zu schluchzen. Er weinte um Goll, aber auch um sich selbst, einen sechsjährigen Jungen ohne Mutter, ohne Freunde, verängstigt, verhasst und ohne ein Zuhause.
     
    Ein Schrei riss den Kinderdieb aus seinen Gedanken.
    Eines der kleineren Kinder, ein Junge, lag vor dem Klettergerüst auf dem Boden. Zwei ältere ragten lachend über ihm auf. Es waren keine Teenager, einfach nur größere Jungs, vielleicht elf oder zwölf.
    Der Kleine richtete sich wieder auf und wischte sich, so gut es ging, den Matsch vom T-Shirt. Zwei dicke, sieben oder acht Jahre alte Mädchen rannten herbei und stellten sich links und rechts von ihm auf. Sie hatten die Haare zu Zöpfen geflochten.
    »Lasst ihn in Ruhe«, sagte eines der beiden Mädchen. Sie schob das Kinn vor und stemmte die Hände in die Hüften. Ihre Freundin tat es ihr nach.
    Das halbe Dutzend Kinder

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