Der Kinderdieb
das Wurzelwerk lehnten.
»Mist«, sagte Grille. »Leroy hat uns immer wieder gesagt, dass wir den Pixies nichts tun sollen. Er meinte, das wäre eine der Regeln. Sie sind ein Teil der Magie dieses Orts oder so.«
»Er hat ihm nicht einfach was getan«, sagte Denny. »Er hat ihn umgebracht.«
»He, danke, Danny. Ich war auch dabei, schon vergessen?«
»Wahrscheinlich ist er manisch depressiv oder so«, sagte Danny. »Er braucht dringend Medikamente.«
»Ja, die Kinder hier sind alle auf die eine oder andere Artkaputt. Wir haben nun mal alle ganz schön viel durchgemacht, oder? Aber bei Leroy ist es anders. Es geht tiefer.«
Eine Weile schwiegen sie.
»Wisst ihr«, sagte Grille dann, »Abraham hat mir erzählt, dass Leroy schon eine ganze Weile hier ist. Nicht erst ein paar Wochen, sondern wirklich lange. Er meinte, dass Leroy Angst davor hat, jemanden herauszufordern, und dass er deshalb noch zu den Neuen gehört. Wisst ihr, was ich glaube? Ich glaube, das ist das Problem. Ich glaube, das nagt an ihm.«
»Du bist eine richtige Professorin, was?«, sagte Danny.
Grille warf ihm einen missmutigen Blick zu.
»Tja, weißt du, was ich glaube?«, sagte Danny. »Ich glaube, der gute alte Leroy hat als kleines Kind zu viel Farbkrümel gegessen.«
»Vielleicht sollten wir es jemandem sagen?«, schlug Grille vor.
»Ja, das klingt nach einem guten Plan«, schnaubte Danny. »Grille, mach du das doch.«
»Warum nicht?«
»Soll das ein Witz sein? Schau dich doch mal um.«
Nick beobachtete zwei Teufel, die einander abwechselnd Messer auf die Füße warfen. Ein anderes Grüppchen war damit beschäftigt, sich Stammesmuster in die Arme zu schneiden.
Grille stieß ein erschöpftes Seufzen aus und ließ sich zu Boden sacken.
Nick bekam das Bild des sterbenden Pixies einfach nicht aus dem Kopf. Das kleine Geschöpf hatte so unglaublich menschlich gewirkt. Wahrscheinlich waren alle Lebewesen gleich, wenn sie Schmerzen erlitten oder Todesängste ausstanden: Tiere, Menschen, sogar Elfen. Die Lider wurden Nick schwer. Er war bereit, zu schlafen, bereit, diesen langen, entsetzlichen Tag hinter sich zu lassen. Eine unnatürliche Wärme erfüllte seinenBauch. Einmal mehr fragte er sich, was dieses Essen wohl bei ihm bewirkte. Aber im Großen und Ganzen fühlte es sich gut an. Er schloss die Augen und genoss das seltsame Gefühl, mit dem die Wärme sich in seinem Körper ausbreitete.
Das Feuer war fast heruntergebrannt, und viele der Teufel begaben sich zu den mit Stroh ausgelegten Käfigen. Die Musiker hörten auf zu spielen, und Sekeu und Abraham löschten die Fackeln an den Wänden.
»Ich glaube, das ist ein Wink mit dem Zaunpfahl«, meinte Grille. »Komm, Nick. Wir müssen dir einen Schlafplatz zurechtmachen.«
Nick öffnete die Augen. »Was?«
Doch Grille und Danny waren bereits auf dem Weg zu den Käfigen. Er stemmte sich hoch und folgte ihnen.
»Wie wär’s mit dem hier?« Grille zeigte auf einen Käfig direkt neben ihrem.
»Klar«, meinte Nick gedankenverloren und kroch hinein. Als ihm bewusst wurde, wie verrückt es war, in einem Käfig zu schlafen, hielt er inne. »Grille?«
»Ja?«
»Warum stecken sie uns in Käfige?«
Grille lachte. »Damit die Pixies uns nicht die ganze Nacht nerven.« Sie zog ein Stück Plane herbei. »Hier. Wirf das oben drüber. Dann können sie nicht auf dich draufpinkeln. Du kannst die Ecken festknoten, aber das hilft eigentlich nicht. Ich glaube nicht, dass es einen Knoten gibt, den sie nicht aufkriegen.«
»Ja, wenn sie an dich rankommen, saugen sie dir alles Blut aus«, sagte Danny. »Einem anderen Jungen ist das erst letzte Nacht passiert.«
Nick starrte ihn entsetzt an und bemerkte dann das schiefe Lächeln auf Grilles Gesicht.
»Auweia«, sagte Nick.
Danny lachte.
Nick legte die Plane über seinen Käfig und kroch hinein. Es kam ihm noch immer komisch vor, in einem Käfig zu schlafen, aber er war zu erschöpft, um sich ernsthaft daran zu stören.
»Tja, ich hoffe, morgen gibt es gebratenen Speck und Waffeln«, sagte Danny und kroch in seinen eigenen Käfig. »Mensch, ich würde mich sogar mit Schokopops zufriedengeben.«
Grille sagte noch irgendwas, doch Nick hörte sie kaum. Seine Lider waren tonnenschwer. Das warme Gefühl in seinem Bauch breitete sich weiter aus, umfing ihn wie eine Decke und ließ ihn in tiefen Schlaf sinken.
Die Wärme folgte Nick in seinen Traum und verwandelte sich in den hellen Sonnenschein eines milden Sommertags. Er stand auf einer Wiese,
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