Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
Vom Netzwerk:
einer Flasche bulgarischen Rotweins und einem Video, ›Die letzte Vorstellung‹ von Bogdanovich, Schlaf gefunden. Zum Glück für Lorraine stand der Videorecorder wieder unten. Michael war auf dem Sofa eingeschlafen und halb auf dem Boden hängend aufgewacht – ganz wie Timothy Bottoms, der Länge nach auf einer staubigen Straße. Er war nach oben getorkelt, ins Bett, und hatte fast die ganze Decke an sich gerissen, und so lag er immer noch, als der Reporter anrief, um zu hören, was die Morrisons zu den letzten Neuigkeiten zu sagen hatten.
    Lorraine war einen Moment fassungslos gewesen, dann kurz wie beschwingt, und nun drückte sie sich in der Küche herum, ergriff hier ein Glas und dort einen Becher, nur um die Dinge gleich wieder wegzustellen. Sie verstand ihre Gefühle nicht. Oder doch, vielleicht schon. Der Mann, den sie festgenommen hatten, wurde beider Verbrechen beschuldigt. Lorraine wollte sich nicht daran erinnern, was sie über den Zustand von Gloria Summers’ Leichnam gelesen hatte, aber sie konnte es nicht verhindern.
    Sie suchte die Nummer der Polizei heraus.
    »Hallo, Constable Lynn Kellogg hier.«
    »Ich dachte, Sie wollten uns Bescheid geben«, sagte Lorraine. »Uns auf dem Laufenden halten.«
    Lynn schwieg; sie hätte hinfahren sollen, statt auf Skelton zu hören; sie hätte als Allererstes zu den Morrisons fahren sollen.
    »Sie haben jemanden festgenommen, stimmt das?«
    »Ja, aber …«
    »Es ist der Mann, der das andere kleine Mädchen getötet hat, richtig?«
    »Das wissen wir noch nicht.«
    »Aber Sie glauben es?«
    »Es ist möglich, ja.«
    »Was bedeutet das dann für Emily? Was heißt das?«
    Lynns Antwort kam nicht mehr bei ihr an. Sie hatte schon völlig verzweifelt aufgelegt, ihr Kopf schlug gegen die Wand, und heftiges Schluchzen überfiel sie wie ein Fieber. Als Michael sie berührte, zuckte sie schreckhaft zusammen, sie hatte ihn nicht kommen hören. »Ist ja gut«, sagte er, als sie an seine Brust gelehnt nach Luft schnappte. »Komm, komm, ist ja gut.«
    »Sie haben sie gefunden, nicht wahr?«, fragte er, als Lorraine sich schließlich von ihm löste.
    Kopfschüttelnd wischte sie sich die nassen Haare aus dem Mund und aus den Augen. »Sie haben den Mann, von dem sie glauben, dass er das andere kleine Mädchen umgebracht hat.«
    »O Gott«, hauchte Michael. »Und sie glauben, dass er auch Emily getötet hat.«
    Divine hatte nichts gefunden auf der Müllkippe. Im Labor waren sie immer noch mit den Bodendielen und den im Auto sichergestellten Fasern beschäftigt. Eine erste Untersuchung der Werkzeuge aus Shepperds Werkstatt versprach nichts, aber sie wollten es noch einmal versuchen. Der Anwalt hatte seine Grundkenntnisse des Police and Criminal Evidence Act aufpoliert und verlangtenach Ablauf der ersten zwei Stunden eine Unterbrechung.
    »Manchmal«, hatte Stephen Shepperd gesagt, »nehme ich den Fotoapparat mit, wenn ich laufen gehe. Ich fotografiere, was ist daran verboten?«
    »Nur kleine Mädchen?«, fragte Resnick.
    »Sie haben mir gewinkt«, sagte Shepperd. »Sie kannten mich. ›Stephen, mach ein Foto von uns‹, haben sie mir zugerufen. Sie waren alle in Joans Klasse. Da ist nichts Schlimmes dabei.«
    Joan Shepperd hatte vorab beim Gesundheitszentrum angerufen, wegen der Tabletten, die Dr. Hazid ihr verschrieben hatte, oh, vor einiger Zeit schon. Sie hätte gern ein Wiederholungsrezept, wenn möglich. Irgendein Beruhigungsmittel, Dia…, Dia…, Diazepam, ja, richtig, das war’s. Die Arzthelferin prüfte ihren Namen und ihre Adresse. Joan versicherte ihr, sie würde vorbeikommen und das Rezept holen, bevor das Zentrum zumachte.

46
    Es war beinahe vier Uhr nachmittags, als Lynn Kellogg an die Tür des Vernehmungsraums klopfte; ein Blick in ihr Gesicht genügte Resnick: Es war etwas geschehen.
    »Das Labor hat eben angerufen, Sir. Nichts von den Bodendielen, aber die Fasern stimmen mit denen überein, die an Gloria Summers’ Leichnam gefunden wurden.«
    »Das ist ganz sicher?«
    »Na ja, Sie wissen ja, wie es ist, Sir, so richtig festlegen wollen sie sich nicht. Aber es hört sich ziemlich sicher an.«
    »Weiß der Super Bescheid?«
    Lynn schüttelte den Kopf.
    »Dann sagen Sie es ihm. Sagen Sie ihm, dass ich bei Shepperd jetzt Druck mache und versuche, ein Geständnis zu bekommen.«
    »Viel Glück, Sir.«
    Zum ersten Mal seit Langem lächelte Resnick.
    Lorraine und Michael Morrison saßen zu beiden Seiten des Tischs und hielten einander an den Händen. Abgesehen vom

Weitere Kostenlose Bücher