Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)
Auge auf die Frau zu haben.«
»Und diese Verdon hat keine Ahnung, wohin die gute Diana Wills abgedampft sein könnte?«
Resnick schüttelte den Kopf. »Sie hat allerdings Lorraine Morrisons Aussage bestätigt, dass Diana in letzter Zeit zunehmend seltsamer wurde. Die letzten zwei Monate hat sie anscheinend ständig von ihrem Kind geredet; nicht von Emily, sondern von einem kleinen Sohn, den sie einmal hatte. Es scheint, als hätte sie erwogen, ganz da raufzuziehen. Nach Hebden. Jacqueline Verdon hat wohl versucht, sie dazu zu überreden.«
»Vielleicht hat sie sie zu stark bedrängt.«
»Möglich, ja.«
Skelton trat ans Fenster und blickte zur Straße hinunter, wo sich zwei Fahrzeugketten wie aufgefädelt aneinander vorbeischoben, die eine in die Stadt hinein, die andere hinaus. Diana Wills konnte inzwischen so gut wie überall sein, und ihre Tochter ebenso – ob sie nun zusammen oder getrennt waren. Was bedeutete es für eine Frau, wenn das Gericht ihr das einzige Kind nahm, nachdem der Tod ihr schon das erste genommen hatte? Was bedeutete es für sie zu wissen, dass die kleine Tochter da war, dass sie sie aber nur zu festgelegten Zeiten besuchen durfte? Was ließ er selbst sich nicht alles von Kate gefallen, nur um sie wenigstens noch ein Jahr bei sich behalten zu können.
»Was sagt Ihr Gefühl, Charlie?«
Einen Moment schloss Resnick die Augen. »Die Mutter hat sich irgendwohin zurückgezogen, fühlt sich überfordert. Ich glaube nicht, dass sie das Kind bei sich hat.«
Er öffnete die Augen wieder, und die beiden Männer sahen einander an, sie wussten, was das hieß.
Geoffrey Morrison war herübergekommen, um einigen seiner Zulieferfirmen einen Überraschungsbesuch abzustatten. Sie kalt zu erwischen, auf Trab zu halten. Während Lorraine noch den Frühstückstisch abräumte, knöpfte er sich Michael vor und bot ihm, nicht zum ersten Mal, einen Job in seinem Unternehmen an. In einem Jahr, spätestens anderthalb, könntest du den inländischen Vertrieb leiten und dein derzeitiges Gehalt verdoppeln. Du wärst nur mir verantwortlich, sonst keinem. Wie gewohnt versprach Michael, darüber nachzudenken. Doch alles, woran er dachte, war Emily; wo sie sein könnte, was ihr zugestoßen war. Dabei bemühte er sich die ganze Zeit, die Bilder von dem anderen kleinen Mädchen zu verdrängen, die hinter seinen Augen flimmerten wie Sonnenreflexe.
Als Resnick in die Herrentoilette kam, traf er dort Millington an, der gerade seine Hose schloss und ›In the Mood‹ pfiff. Na, endlich mal was anderes als ›Oklahoma!‹.
»Beschäftigt Ihre Frau sich dieses Halbjahr mit Jazz, Graham?«
»Mit englischer Malerei, Sir. Aber sie spielt dieses Stück Tag und Nacht, sie behauptet sehr passend, dass es sie in Stimmung bringt.«
»In the Mood«, dachte Resnick, Joe Loss’ Erkennungsmelodie. Er erinnerte sich, wie er und Elaine ziemlich am Anfang ihrer Beziehung einmal beim Tanzen waren und sich im alten Palais zu einer aufgemotzten Version von »The March of the Mods« gegenseitig auf die Füße gestiegen waren.
»Alles in Ordnung, Sir?«
Resnick nickte.
»Sie haben gerade ein bisschen so ausgesehen, als täte Ihnen was weh. Doch hoffentlich keine Prostataprobleme?« Millington ging mit einem boshaften Lächeln hinaus, Resnick,der inzwischen überzeugt war zu wissen, wo sie Diana Wills finden würden, bemerkte es kaum.
»Zu wem wollten Sie gleich wieder?«, fragte der diensthabende Beamte am Schalter.
»Zum zweiten und hoffentlich letzten Mal«, antwortete Geoffrey Morrison ungehalten, »zu dem Beamten, der die Ermittlungen über das Verschwinden meiner Nichte leitet.«
»Das wäre Emily Morrison, richtig, Sir?«
»Hervorragend, Officer. Einer der Neuzugänge mit Hochschulabschluss, wie ich mit Vergnügen sehe.«
»Das wäre Inspector Resnick oder Superintendent Skelton, Sir. Zu welchem von beiden wollen Sie?«
Geoffrey Morrison zählte im Stillen bis zehn. »Was würden Sie vorschlagen?«
Was es Elaine an Mut und Überwindung gekostet haben musste, schließlich zu ihm zu kommen, in das Haus, in dem sie als Mann und Frau zusammengelebt hatten, konnte Resnick nur vermuten. Ihr Gesicht war hager gewesen im Licht der Treppenbeleuchtung, als sie ihm die Jahre ihrer Qual zur Last gelegt hatte. Einmal in der Woche haben wir alle in einem Raum zusammengesessen und geredet, aber meistens hatte ich niemanden zum Reden. Und dich am wenigsten, Charlie; dich am allerwenigsten.
»Lynn! Kevin! Hier!«
Warum hatte er daran
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