Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)
dieser Jogger?«
»Richtig.«
»Nein.«
»Sind Sie sicher?«
»Natürlich bin ich sicher.«
»Aber Sie joggen?«
»Nein.«
Joans Finger drückten sich tiefer in das Kissen ihres Sessels.
»Sie sagen also, dass Sie niemals joggen gehen, Mr Shepperd?«
Stephen hatte Mühe zu sprechen. »Niemals, habe ich nicht gesagt.«
»Sie joggen also? Um fit zu bleiben?«
»Hauptsächlich schwimme ich.«
»Hauptsächlich?«
»Ja, das macht mir mehr Spaß. Und es bringt mehr. Bei mir jedenfalls. Beim Laufen bin ich irgendwie nie schnell genug, damit wirklich was passiert. Schwimmen liegt mir wahrscheinlich einfach mehr.«
»Darf ich fragen, wo Sie am vergangenen Sonntagnachmittag waren?«
Stephens Blick flog zu Joan, bevor er antwortete. »Beim Schwimmen.«
»Sie sind schwimmen gewesen?«
»Ja.«
»Am Sonntagnachmittag?«
»Ja, hab ich doch gesagt.«
»Ich habe es gehört, Mr Shepperd. Ich wollte nur sicher sein.«
Stephen faltete die Hände, schlug die Beine übereinander, umfasste das obere Knie, ließ es los, streckte die Beine wieder aus und legte beide Hände flach auf die Oberschenkel.
»Fragen Sie meine Frau«, sagte er.
Resnick blickte zu Joan Shepperd hinüber, stellte aber keine Frage.
»Als Sie vorhin die Nachrichten angeschaut haben«, fragte Naylor vorgebeugt, »haben Sie nicht die Zeichnung eines Mannes in einem Jogginganzug gesehen?«
»Nein. Leider. Hast du was gesehen, Joan?«
»Das muss vorhin gewesen sein, als das Malheur passiert ist.«
»Ein Malheur?«
»Ja, mein voller Becher ist auf dem Teppich gelandet. Sie können den Fleck noch sehen. Da.«
»So ein Pech«, sagte Resnick.
»Ja«, stimmte Joan Shepperd zu, »er ist fast … wir haben ihn erst vor Kurzem neu verlegt.«
»Ich weiß, es ist nur eine Zeichnung«, sagte Resnick und musterte Stephen Shepperd mit scharfem Blick, »eine Skizze, nach einem flüchtigen Eindruck angefertigt, aber ich muss sagen, ich sehe da eine große Ähnlichkeit zu Ihnen.«
33
Lynn Kellogg hatte über das nachgedacht, was sie von Kevin gehört hatte: dass Debbie ihn verlassen und die Kleine mitgenommen hatte. Ihm war anzusehen gewesen, was dieses Geständnis ihn kostete, wie ihm zumute war. Die Hautür wurde geöffnet, und sie sah ihn herauskommen, als dunklen Schattenriss, der sich gegen das Flurlicht abhob. Dann erschien Resnick neben ihm, halb dem Flur zugewandt, um noch etwas zu sagen, was sie allerdings nicht hörte.
Sie ging ihnen auf dem Weg zum Wagen ein paar Schritte entgegen und sah sie fragend an.
»Hat’s bestritten«, sagte Kevin, »rundweg.«
Lynn sah Resnick an.
»Er behauptet, er war beim Schwimmen«, sagte Resnick.
»Den ganzen Nachmittag?«
Resnick zuckte mit den Schultern und lächelte.
»Aber dass sie da dringehockt und Nachrichten geschaut haben, ohne die Zeichnung zu sehen«, bemerkte Naylor, »das finde ich echt scharf.«
»Sie waren eben abgelenkt«, meinte Resnick.
»Weil sie den Gutenachttrunk verschüttet haben, ja.«
»Im entscheidenden Moment.«
»Wie praktisch.«
Zwischen den beiden Männern hindurch konnte Lynn das Haus sehen. Die Außenbeleuchtung brannte noch, im vorderen Fenster bewegte sich der Vorhang, da wollte wohl jemand wissen, ob sie noch da waren. »Und was tun wir jetzt, Sir?«, fragte sie.
»Knöpfen ihn uns morgen noch mal vor. Vielleicht erinnert er sich dann anders. Bis dahin lassen wir ihn schmoren.«
Als sie weitergingen, warf Lynn Naylor einen Blick zu.Sie hätte gern gesagt, weißt du was, komm doch mit zu mir, und wir trinken noch einen Kaffee und reden, es ist ja noch nicht spät. Aber da trat Resnick schon zu ihrem Wagen, offensichtlich in der Erwartung, nach Hause gefahren zu werden. Sein Atem roch immer noch leicht nach Whisky, und sie wusste, warum er nicht selbst hatte fahren wollen.
»Gute Nacht, Kevin«, sagte sie.
»Nacht. Nacht, Sir.«
Türen wurden geknallt, Motoren sprangen an und Reifen quietschten, als die Wagen davonschossen. Bei den Shepperds wurde einen Moment der Vorhang gelupft, dann fiel er wieder zu.
Stephen Shepperd trat vom Fenster weg und schaffte es, ins Zimmer zurückzukommen, ohne seiner Frau in die Augen zu sehen, obwohl sie ihn unverwandt fixierte.
»Wo willst du hin?« Er hatte die Tür schon fast erreicht, streckte schon den Arm aus.
»Rauf, ins Bett.« Ohne sich umzudrehen. »Es ist spät.«
»Setz dich.«
Stephen blieb stehen und ließ den Arm sinken. Seine Schultern sackten nach vorn.
»Los, setz dich und red mit mir.«
Er wollte sich nicht
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