Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)
die nächste Zigarette an.
»Als du nichts …«
»Woher willst du wissen, dass ich nichts gesagt habe?«
»Ach, Kevin.« Lynn schüttelte den Kopf. »Als du nichts gesagt hast, hat sie das als Desinteresse ausgelegt und geglaubt, du willst sie und das Kind gar nicht. Da war es angenehmer, bei jemandem zu bleiben, der sie beide wollte. Und der bereit war, sich zu kümmern.«
»Ich hab mich doch gekümmert.«
»Um die Kleine?«
»Ja.«
»Wie denn? Hast du sie gefüttert? Mit ihr gespielt? Sie gewickelt?«
»Ja. Wenn ich da war.«
Wider Willen musste Lynn lächeln.
»Was ist daran so komisch?«
»Nichts. Nichts ist komisch.«
»Warum lachst du dann?«
»Ich lache nicht.« Aber sie lachte doch; sie bog sich vor Lachen und hielt sich an seiner Hand fest.
»O Lynn«, sagte er mit rauer Stimme und drückte ihre Hand.
»Kevin«, sagte sie, »so schön es vielleicht wäre, es wäre nichts damit gelöst.«
»Was? Ich wollte nicht …«
Lynn begann wieder zu lachen. Dann ließ sie seine Handlos und stand auf. »Hast du mal mit ihr gesprochen? In letzter Zeit, meine ich?«
»Ich hab’s versucht.«
»Wie oft?«
»Einmal.«
»Soll ich mit ihr reden?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Das ist unser Problem, das müssen wir selbst regeln.«
»Ich will ja nicht gemein sein, Kevin, aber ich habe nicht den Eindruck, dass du das besonders gut machst.«
»Herzlichen Dank.«
»Kevin, du bist unmöglich.« Sie beugte sich tief hinunter und gab ihm einen kräftigen Kuss auf den Scheitel. »Ich ruf sie mal an, vielleicht geht sie ja einen Kaffee mit mir trinken. Oder ein Bier.«
»Sie wird nur glauben, dass ich dich darum gebeten habe.«
»Na und? Dann sieht sie auch, dass du versuchst, etwas zu tun. Dass sie dir nicht gleichgültig ist.«
Kevin blieb sitzen, trank seinen Tee und rauchte seine Zigarette fertig. Joan Armatrading schwieg. »Dann mach ich mich jetzt mal auf«, sagte er.
»Gut«, sagte Lynn, erleichtert, dass er sich zur Tür aufmachte und nicht in ihre Richtung.
Stephen Shepperd drehte sich der Frau zu, die neben ihm lag, schlang einen Arm um sie und kuschelte sich an ihren warmen Rücken.
»Es tut mir leid, Mami«, hauchte er. »Es tut mir leid.«
Und obwohl Joan Shepperd sich leicht bewegte, war es unwahrscheinlich, dass sie etwas hörte.
34
Resnick war schon vor sechs aufgestanden und tappte auf nackten Füßen im Haus herum, vom Bad ins Schlafzimmer und wieder zurück. Er lockte Pepper aus dem Wäscheschrank, wo er sich im tiefen Blau der Handtücher ein Nest gebaut hatte, und öffnete unten dem noch schwarzen Morgen die Haustür, um Dizzy ins Haus zu lassen. Sobald der Kaffee gemahlen und die Katzen gefüttert waren, begann er nach einem sauberen Hemd zu suchen. Wenn Stephen Shepperd wirklich der Mann war, der beinahe mit Vivien Nathanson zusammengestoßen wäre, warum gab er das nicht zu? Angenommen, er war in der Straße gewesen, hätte er denn hinreichend Zeit und Gelegenheit gehabt, Emily Morrison zu entführen? Aber warum hätte er sie entführen sollen, und wo hatte er sie gegebenenfalls hingebracht?
Resnick schnitt drei kleine Scheiben Schwarzbrot mit Kümmel ab und schob sie nebeneinander in den Toaster. Er seufzte, als er Dizzy und Miles in schöner Einigkeit aus dem Napf von Bud futtern sah, der kleinsten seiner Katzen, die sie wohl gern noch dünner haben wollten. Wenn er sie mit dem Fuß wegschob, wären sie Sekunden später wieder da. Stattdessen hob er Bud mit einer Hand hoch, kraulte ihn unter dem Kinn, streute eine Handvoll Trockenfutter auf die Arbeitsplatte und setzte den Kleinen dort ab, damit er in Ruhe fressen konnte. Da der Kaffee noch nicht ganz fertig war, schnitt er inzwischen den Jarlsberg für den Toast auf. Sie hatten Stephen Shepperd noch nicht gefragt, um welche Zeit er an jenem Sonntagnachmittag wieder nach Hause gekommen war, wann seine Frau ihn wiedergesehen hatte. Die Frage war wichtig. Er strich Margarine auf den Toast, kratzte einen Teil mit dem Messer wieder ab und gab ihn in die Packung zurück; er legte den Käse auf, der an den Seiten überhing, holte die Knoblauchwurst aus dem Kühlschrank,schnitt eine dicke Scheibe ab und legte sie obenauf. Er hätte gern eine Tomate gehabt, aber es waren keine mehr da, und um dem Klacks Mayonnaise zu widerstehen, der ihn lockte, brauchte er nur eine Hand auf seinen Bauch zu legen. Hatte nicht Stephen Shepperd gesagt, Schwimmen sei gesund? Vielleicht sollte er das auch mal probieren. Ein paar gemächliche Bahnen
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