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Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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hinsetzen, er wollte weitergehen, zur Tür hinaus, nicht einmal hinauf ins Ehebett, sondern hinaus auf die Straße, ins Freie, er wusste nicht, wohin, und es war ihm auch egal, Hauptsache, er musste sich nicht umdrehen und ihr ins Gesicht sehen.
    Einmal, er war noch ein Kind gewesen, zwölf oder dreizehn höchstens, hatte er in seinem Zimmer darauf gewartet, dass seine Mutter ihn zur Rede stellen würde. Hatte in seinem schmalen Bett gelegen, die Decke bis über den Kopf hochgezogen, sodass er das Öffnen und Schließen der Türund schließlich die unterdrückte Erregtheit in ihren Atemzügen nur gedämpft wahrnahm, während sie an seinem Bett stand, bereit auszuharren, weil sie wusste, dass er nicht ewig so liegen bleiben konnte.
    »Stephen.«
    Mit gesenktem Kopf drehte er sich herum und ging zu seinem Sessel.
    »Was hast du mir zu sagen, Stephen?«
    Mir kannst du alles sagen, ich bin deine Mutter.
    »Stephen?«
    Alles; langsam und geduldig hatte sie ihm die Wahrheit entlockt, und während ihm stockend die Worte von den Lippen fielen, sah er, wie ihr Gesicht sich anspannte, ihr Blick sich verengte und ihre Haut sich vor Scham langsam rot färbte.
    »Ich warte, Stephen.«
    »Nein.«
    »Du kannst es mir nicht verschweigen.«
    »Es gibt nichts zu sagen.«
    »Nein?«
    »Nein.«
    Sie schüttelte den Kopf, ganz langsam, und beinahe schien es, als lächelte der verzogene Mund. »Du weißt, dass du mich nicht belügen kannst, Stephen.«
    »Ich lüge nicht.«
    Sie antwortete mit einer lässigen kleinen Handbewegung, als wischte sie Krümel fort: Was glaubte er denn? Dass er sie zum Besten halten könne? Du meine Güte, er musste doch wissen, dass sie ihn besser kannte als er sich selbst.
    »Ich war schwimmen. Am Sonntagnachmittag. Das weißt du doch. Die können Andeutungen machen, so viel sie wollen, ich war nicht dort.«
    »Und die Zeichnung?«
    »Wir haben keine Zeichnung gesehen.«
    »Aber andere Leute haben sie gesehen. Ist das nicht genug?«
    »Wie kommt es bloß?«, schrie er mit wutverzerrter Stimme und sprang auf, »wie kommt es bloß, dass du eher allen anderen glaubst als mir?«
    »Das stimmt doch gar nicht, Stephen. Das ist nicht fair.«
    »Ach, nein?«
    »Wenn du an dem Nachmittag beim Joggen warst, warum sagst du’s nicht einfach? Was ist daran verboten?«
    »Joan, jetzt hör mir endlich mal zu und schau mich an dabei. Ich war nicht beim Joggen am Sonntag. Ich war im Erlebnisbad beim Schwimmen. Ich verstehe nicht, warum du mir das nicht glauben kannst.«
    »Stephen, ich habe deine Sachen aus der Tasche genommen, als du wieder zu Hause warst. Falls etwas in die Wäsche gemusst hätte. Deine Badehose war nicht mal feucht.«
    Auf der Heimfahrt quer durch die Stadt sprach Resnick wenig, aber Lynn spürte die Spannung, die sich in ihm zusammenzog. Wenn Stephen Shepperd, wie naheliegend, einen Teil seiner Freizeit im Klassenzimmer seiner Frau zubrachte und sich dort nützlich machte, weil er sonst nirgends mehr gebraucht wurde, musste er Emily gekannt haben; und sie ihn. Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, sich ihre Adresse aus der Kartei herauszusuchen und die Straße, die ja nicht weit war, in seine Joggingrunde einzubeziehen.
    Aber Resnick äußerte keine dieser Überlegungen laut; stattdessen fragte er Lynn nach ihren Eltern, erkundigte sich nach dem Befinden ihres Vaters und dem Stand der Dinge auf der Geflügelfarm. Nickend registrierte er ihre Antworten, in Gedanken zweifellos schon bei dem fetten Kapaun, der nach ihrem Vorweihnachtsbesuch zu Hause mit ihr zurückreisen und seinen Weg aus dem Papierkorb in Resnicks Büro, wo sie ihn Jahr für Jahr verschämt ablegte,zuerst in seinen Kühlschrank und schließlich in sein Bratrohr finden würde.
    Vor Resnicks Haus hielt Lynn an. »Morgen in aller Frühe, Sir?«
    »Unbedingt.« Ein flüchtiges Lächeln, und schon war er fort. Einmal blitzte es weiß auf, als er die Hand hob, um die erste Katze zu streicheln, die ihm auf der Mauer entgegenlief.
    Lynn wendete den Wagen und fuhr die Woodborough Road zurück durch die unversehens sternklare Nacht. Naylors Auto stand wartend am Bordstein zwischen dem Lace Market Theatre und dem Parkplatz des Amtes für Bewährungshilfe.
    »Ich hätte nicht kommen sollen.«
    »Unsinn. Ist doch gut so.«
    Hinter den Genossenschaftshäusern, in denen Lynn eine Wohnung hatte, hatte irgendein Pub, wahrscheinlich das »Old Angel«, eine Verlängerung der Öffnungszeit beantragt: Das dumpfe Dröhnen der Bässe wurde in Abständen vom

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