Der Kinderpapst
setzen und die Verwüstungen zu reparieren, die
sie bei der Ankunft vorgefunden hatten. Beide Kriegsparteien, erst die Sabiner,
dann die Tuskulaner, hatten während ihrer Abwesenheit das Haus für ihre
Soldaten requiriert, und nur dem Einschreiten Abt Bartolomeos, der im Vatikan
gegen die Enteignung Einspruch erhoben hatte, war es zu verdanken, dass sie das
Gebäude wieder hatte in Besitz nehmen können.
»Alles haben sie sich unter den Nagel gerissen«, sagte Anna, die mit
einem Reisigbesen den Schutt zusammenfegte. »Alles, was nicht niet- und
nagelfest war. Sogar die GieÃerei. Nur die Rohlinge haben sie dagelassen.
Gottlose Bande!«
»Es sind ja nur Sachen«, erwiderte Chiara, während sie die halbfertigen
Kruzifixe, die überall auf dem Boden verstreut lagen, aufsammelte und auf einer
Werkbank stapelte. »Sachen kann man ersetzen.«
»Wenn wir wenigstens noch das Geld hätten!«, schnaubte Anna. »Diese
Giulia! Ich habe dem falschen Miststück von Anfang an nicht über den Weg
getraut.«
»Woher willst du wissen, dass sie die Kasse gestohlen hat?«
»Weil sie sich in Luft aufgelöst hat. Und ich bin sicher, das Geld
aus dem Versteck hat sie auch. Alles, was wir verdient haben. Die Arbeit von
Jahren.«
»Das können auch die Soldaten gewesen sein«, entgegnete Chiara. »Die
haben das ganze Haus auf den Kopf gestellt. Und geplündert wurde woanders auch â¦Â«
»Werâs glaubt, wird selig. Giulia war auÃer dir und mir die Einzige,
die das Versteck kannte. Wehe, die wagt es, sich hier noch mal blicken zu
lassen â¦Â«
Während Anna sprach, ging die Tür auf.
»Vater?«, rief Chiara überrascht.
»Ja, mein Kind.«
»Ich wusste gar nicht, dass Ihr in der Stadt seid.«
»Ich bin schon seit einiger Zeit hier.« Er nahm sie in den Arm, um
sie zu begrüÃen. »Allerdings hatte ich sehr viel zu tun.«
»Aber warum habt Ihr mir nichts gesagt? Egal, wie viel Ihr zu tun
hattet!« Als sie den Ausdruck in seinem Gesicht sah, erschrak sie. »Ist etwas
passiert?«
Ihr Vater nickte. »Ich muss mit dir sprechen. Unter vier Augen.«
Anna begriff. »Ich wollte sowieso den Schutt in den Hof bringen«,
sagte sie und verschwand mit einem Kübel zur Hintertür hinaus.
»Ihr macht mir Angst«, sagte Chiara, als sie mit ihrem Vater allein
war. »Bitte sagt, was es ist.«
Mit einem unsicheren Lächeln erwiderte er ihren Blick. »Du brauchst
keine Angst zu haben«, sagte er. »Ich mache mir schon genug Sorgen. Tag und
Nacht denke ich darüber nach, wie ich dir helfen kann, deinen Kummer zu
überwinden.«
»Ach Vater«, seufzte sie und strich eine Strähne, die sich aus ihrer
Frisur gelöst hatte, unter den Rand ihres Kopftuchs zurück. »Das ist sehr lieb.
Aber ich glaube nicht, dass das überhaupt jemand kann. Es tut so schrecklich
weh. Das wird nie mehr verheilen.«
Ihr Vater schüttelte den Kopf. »So etwas darfst du nicht sagen, mein
Kind. Es gibt immer eine Lösung. Und ich denke, ich habe die richtige für dich
gefunden.« Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und schaute sie an. »Du â¦
du solltest wieder heiraten.«
Der Vorschlag kam so überraschend, dass Chiara unwillkürlich einen
Schritt zurück trat. »Ich? Heiraten?«
»Ja«, sagte ihr Vater, ohne eine Miene zu verziehen. »Ich habe alles
genau überlegt und durchdacht. Und ich bin sicher, das wird das Beste für dich
sein.«
Dabei blickte er sie so ernst an, dass ihr der Mund austrocknete.
»Ist das der Grund, weshalb Ihr in der Stadt seid?«, fragte sie.
»Ja, um alles vorzubereiten. Damit du nur noch einwilligen musst.«
Chiara rückte ihr Kopftuch zurecht. Der Gedanke war so aberwitzig,
dass sie es nicht fassen konnte.
»Und ⦠habt Ihr auch schon einen Mann für mich ausgesucht?«
Ihr Vater nickte.
»Kenne ich ihn?«
Wieder nickte ihr Vater.
Chiara wusste nicht, warum, aber plötzlich überkam sie eine schlimme
Ahnung.
»Wie heiÃt er?«, flüsterte sie.
Ihr Vater zögerte einen Augenblick. Dann sprach er den Namen aus.
»Papst Benedikt«, sagte er. »Ich meine â Teofilo di Tusculo â¦Â«
SIEBTES KAPITEL: 1045â46
WIEDERGEBURT
1
»Ich soll Chiara di Sasso heiraten? Wollt Ihr Euch über mich
lustig machen?«
Teofilo war gerade von einer Audienz in seine
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