Der Kinderpapst
Privatgemächer zurückgekehrt,
als Petrus da Silva ihn mit seinem aberwitzigen Vorschlag empfing.
»Das würde ich mir niemals erlauben, Ewige Heiligkeit«, erwiderte
der Kanzler, ohne jede Regung in seinem glatt rasierten Gesicht.
»Dann müsst Ihr verrückt geworden sein!«
»Ich hoffe nicht, Heiliger Vater.«
»Was soll dann das Geschwätz? Ich bin der Papst! Ich bin zu lebenslanger
Ehelosigkeit verdammt! Das habt Ihr mir immer wieder unter die Nase gerieben,
als ich den Zölibat abschaffen wollte.«
»Dessen bin ich mir durchaus bewusst, Heiligkeit. Allerdings,
veränderte Umstände erfordern bisweilen veränderte MaÃnahmen. Und selbstredend
sollt Ihr nicht den Zölibat verletzen.«
»Chiara di Sasso!«, schnaubte Teofilo. »Ausgerechnet!«
»Warum ausgerechnet?« Petrus da Silva musterte ihn mit seinen
grauen, seelenlosen Augen.
»Zum Teufel! Das geht Euch nichts an!«
Mit einem Ruck kehrte er dem Kanzler den Rücken und trat ans
Fenster. DrauÃen strebten die spanischen Mönche, die er soeben in ihre Heimat
verabschiedet hatte, auf eine Weinschenke zu, um sich Proviant für die Reise zu
erbetteln. Ihr Anblick erfüllte ihn mit Neid. Beati sunt
pauperes in spiritu â glücklich sind, die arm im Geiste ⦠Die Mönche
besaÃen nicht mehr als ihre Kutte und ihren Glauben, aber sie konnten tun und
lassen, was sie wollten. Was für ein wunderbares Leben sie führten!
»Bitte erlaubt mir, Euch den Sinn des Plans zu erläutern«, sagte der
Kanzler.
»Tut, was Ihr nicht lassen könnt.«
»Ziel ist die Befriedung Roms und der Kirche, ein einfaches,
zweckdienliches Kalkül zum Ausgleich der Interessen. Drei Schritte sind dazu
erforderlich. Erstens: Seine Heiligkeit, Papst Benedikt IX .,
verzichtet auf die Cathedra, um Platz zu machen für ein neues, von allen
römischen Familien akzeptiertes Kirchenoberhaupt. Zweitens: Teofilo di Tusculo
lässt sich in den Laienstand zurückversetzen und geht mit Chiara di Sasso,
Witwe des im Krieg gefallenen Crescentiers Domenico, den Bund der Ehe ein, als
sichtbares Zeichen der Versöhnung zwischen den verfeindeten Parteien. Drittens:
Der neue Papst erteilt allen Beteiligten Absolution, um die Pax
dei in der heiligen Stadt zu stiften.«
»Genug!« Teofilo fuhr vom Fenster herum.
Petrus da Silva verbeugte sich. »Dies ist alles, was ich vorzutragen
habe, Ewige Heiligkeit. Ich bitte demütig um Euer Urteil.«
»Mein Urteil?«
Während Teofilo nach Worten suchte, flog die Tür auf, und seine
Mutter trat herein. Wie eine Furie stürzte sie sich auf den Kanzler.
»Ich habe alles gehört! Euren ganzen schändlichen Plan!«
»Bitte beruhigt Euch«, sagte Petrus da Silva mit zur Abwehr erhobenen
Armen.
»Abdankung? Heirat? Ihr verhöhnt den Heiligen Geist! Mein Sohn
gehört Gott, nicht einem Weib!«
»Ich begreife Eure Erregung, edle Ermilina. Aber Gottes Wege sind oft
wunderbar, und es ist nicht an uns, die Vorsehung in Frage zu stellen. Oder
wollt Ihr verhindern, dass endlich Friede an die Stelle des Krieges tritt?«
»Wie könnt Ihr daran zweifeln? Doch um Frieden zu stiften, muss
Chiara di Sasso nicht den Papst heiraten. Ich habe meinem Mann noch drei andere
Söhne geboren!«
»Aber keinen, der ein solches Zeichen der Versöhnung zu setzen
vermag wie Ewige Heiligkeit.«
» Ewige Heiligkeit? Ihr wagt es, das Wort ewig in den Mund zu nehmen, obwohl Ihr die Abdankung meines
Sohnes verlangt?«
»Was vor Gott auf ewig gilt, ist auf Erden manchmal nur ein
Wimpernschlag.«
»âºEure Rede sei ja ja, nein nein!â¹Â«, fauchte Ermilina. »Aber ich
habe Euch noch nie über den Weg getraut. Ein wahrer Diener Gottes hüllt sich
weder in Seide noch in Schwanenhaut â Sack und Asche gereichen ihm zur Zier.«
Wütend funkelte sie den Kanzler an. »Was haben die Sabiner Euch versprochen,
damit Ihr die Seiten wechselt?«
»Falls Ihr mich beleidigen wollt, es wird Euch nicht gelingen«,
entgegnete Petrus da Silva. »Ihr wisst so gut wie ich, dass mein Trachten
einzig dem Wohl unserer Kirche gilt â¦Â«
»Papperlapapp!«, schnitt sie ihm das Wort ab. »Wer soll an die
Stelle meines Sohnes treten?«
Petrus da Silva hob die Brauen. »Ein Mann, der seit Jahren Euer
vollkommenes Vertrauen genieÃt«, sagte er. »Giovanni Graziano.«
»Teofilos
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