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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Seufzer kehrte er dem Bild den Rücken zu und strich sich
über das Kinn. Plötzlich sah er ganz müde und grau aus, fast wie ein Greis, und
seine Augen schimmerten feucht.
    Waren das Tränen?
    Bevor Chiara etwas sagen konnte, hatte er sich wieder gefasst.
    Â»Wir sind nicht auf der Welt, um glücklich zu sein«, sagte er. »Gott
hat uns das Leben geschenkt, damit wir seinen Willen tun. Jeder von uns trägt
Verantwortung, und dieser Verantwortung darf sich keiner entziehen.«
    Â»Was hat das mit mir zu tun?«
    Â»Weißt du nicht selber die Antwort? Deine Ehe kann den Frieden in
der Stadt retten. Wenn du Teofilo di Tusculo heiratest, wirst du einen neuen
Krieg verhindern. Das ist Gottes Wille und Plan. Oder willst du, dass noch mehr
Männer sterben müssen wie Domenico? Und dass andere Frauen dasselbe Schicksal
erleiden wie du? Nur weil du nicht bereit bist, zu tun, was die Vorsehung dir
auferlegt hat?«
    Chiara starrte auf ihren Finger. Wieder quoll ein Tropfen Blut aus
der Kuppe hervor. Bei dem Anblick drehte sich ihr der Magen um.
    Â»Ich erkenne Euch nicht wieder«, sagte sie. »Soll das heißen, der
Friede in der Stadt ist Euch wichtiger als das Glück Eurer Tochter?«
    Â»Wenn du mich so offen fragst – ja«, sagte er. »Und darum denke ich,
es ist deine Pflicht, den Vorschlag ernsthaft …« Er unterbrach sich und nahm
ihre Hand. »Aus demselben Grund habe ich dich damals gebeten, Domenico zu
heiraten. Um ein Zeichen der Versöhnung zu setzen. Damals hattest du dich auch
gegen die Heirat gewehrt. Bis du irgendwann eingesehen hast, dass Domenico der
richtige Mann für dich war. Und am Ende hast du ihn sogar geliebt. Warum sollte
das nicht wieder …«
    Â»Das ist nicht dasselbe!«, rief sie. »Domenico war der wunderbarste
Mann der Welt. Er hat mir alles geschenkt, was er besaß. Seine Liebe, sein
Herz, ohne etwas von mir zu verlangen … Ich habe ihn so lange verkannt, bis ich
endlich begriff, wie viel er mir bedeutet … Ich … ich hatte ihn gar nicht
verdient …«
    Die Erinnerung tat so weh, dass ihre Worte erstickten.
    Â»Die Zeit heilt alle Wunden«, sagte ihr Vater. »Und irgendwann geht
jeder Schmerz vorbei.« Zärtlich strich er ihr den Kopf. »Du hast dir doch dein
Leben lang gewünscht, Teofilo zu heiraten. Jetzt kannst du es tun. Warum
zögerst du?«
    Chiara spürte, wie sich alles in ihr zusammenzog. Fassungslos
starrte sie ihren Vater an.
    Â»Fragt Ihr mich das im Ernst?«
    Sie wollte ihm ihre Hand entziehen, doch er hielt sie fest, mit
sanftem Druck.
    Â»Ja«, sagte er. »Mir ist selten etwas ernster gewesen. Und was
Domenico angeht«, fügte er mit leiser Stimme hinzu, »nicht Teofilo ist schuld
an seinem Tod. Domenico wollte diesen Krieg nicht, er wollte sich raushalten.«
    Chiara musste schlucken. Ein säuerlicher Geschmack füllte ihren
Mund, sie schluckte ein zweites Mal, doch der Geschmack wurde nur noch
schlimmer. Ihre Hände waren plötzlich ganz feucht, überall am Körper brach ihr
der Schweiß aus. Ein Schwindelgefühl erfasste sie, und sie schloss die Augen.
    Â»Was … was wollt Ihr damit sagen?«
    Â»Nichts, mein Kind«, erwiderte ihr Vater und wich ihrem Blick aus.
    Chiara verstand die Botschaft auch ohne Worte. Plötzlich wurde ihr
so übel, dass sie es nicht länger aushielt. Sie sprang von ihrem Stuhl, und,
eine Hand vor dem Mund, riss sie ein Fenster auf, um sich zu übergeben.
    4
    Â»Gelobt sei Jesus Christus.«
    Â»In Ewigkeit, Amen.«
    Ermilina wollte Giovanni Graziano die große, knöcherne Hand küssen,
doch der Einsiedler forderte sie auf, an dem rohen Holztisch in seiner Klause
Platz zu nehmen.
    Â»Was führt Euch zu mir?«
    Ermilina zögerte. Fast ein ganzes Leben lang kannte sie diesen
heiligmäßigen Mann, der auf den Reichtum seiner Familie und alle Güter der Welt
verzichtet hatte, um in der Furcht Gottes zu leben. Keinen Menschen verehrte
sie mehr als ihn. In den Stunden der Not hatte er ihr Trost gespendet, und wenn
die Zweifel sie überkamen, hatte er sie im Glauben bestärkt und sie mit seinem
Rat auf den rechten Pfad zurück geführt. Doch jetzt …
    Â»Ich kann nicht glauben, was Petrus da Silva behauptet«, sagte sie
schließlich.
    Â»Ihr meint, dass ich Eurem Sohn auf den Papstthron folge?«,
erwiderte er.
    Ermilina schaute ihn an, in der Hoffnung,

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