Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
Vom Netzwerk:
helfen. Denn schlimmer noch als die Krankheit seines Leibes
war der fehlende Wille seines Geistes, der Krankheit entgegenzutreten. Ruhelos
fiebernd warf er sich auf seinem Lager hin und her, halb wachend, halb
träumend, und flüsterte immer wieder ein und denselben Namen.
    Â»Chiara …«
    Jedes Mal, wenn er den Namen sagte, schlug Ermilina das
Kreuzzeichen. Hatte dieses Weib ihren Sohn verhext? Oder, Ermilina traute sich
kaum, den Gedanken zu denken, war Teofilos Liebe ein Zeichen, dass Gott diese
Ehe tatsächlich wollte? Nein, sie durfte solche Gedanken nicht zulassen, sie
waren Gift im Brunnen der Wahrheit, auch wenn ihre einstigen Verbündeten im
Kampf um den Papstthron jetzt die Wahrheit verrieten und sich zu dem gottlosen
Plan verschworen hatten, ihrem Sohn die Tiara zu rauben und ihn in die Arme
dieser Frau zu treiben.
    Â»Chiara …«
    Teofilo war aufgewacht, mit weit geöffneten Augen starrte er seine
Mutter an, doch allem Anschein nach ohne sie zu erkennen. Der Anblick zerriss
Ermilina das Herz. Wie hatte sie gelitten, um dieses Kind zur Welt zu bringen?
Sie war bereit gewesen, ihr eigenes Leben bei seiner Geburt zu opfern, sich
freudig zum Werkzeug des himmlischen Willens zu machen, damit die Verheißung
sich an ihm erfüllte.
    Wozu? Wozu?
    Ein scharfer, stechender Schmerz durchzog ihre Brust, begleitet von
einem dumpfen Druckgefühl, das ihr Herz einengte. Aber Ermilina ließ sich nicht
beirren, weder von der Verzweiflung, noch von ihrer Angst. Sie würde das Kreuz,
das Gott auf die Schultern ihres Sohnes geladen hatte, zusammen mit ihm tragen,
bis ans Ende seines Weges. Geduldig tauchte sie einen Lappen in die Schüssel
mit kaltem Wasser, die neben seinem Bett stand, und während sie seine glühende
Stirn kühlte, beschwor sie ihn, all seine Liebe auf den Schöpfer zu richten,
auf Jesus Christus, auf den Heiligen Geist, damit seine Liebe zu dem
verfluchten Weib sich auflöste in der Liebe des dreifaltigen Gottes wie eine
Träne im Ozean.
    Â»Bete, mein Junge, bete!«
    Sie legte ihr Besteck beiseite und half ihm, die Hände zu falten.
    Da klopfte es an der Tür.
    Â»Wartet! Ich komme!«
    Um zu verhindern, dass jemand ihren Sohn in diesem Zustand sah,
eilte Ermilina hinaus auf den Gang.
    Â»Abt Bartolomeo?«, fragte sie verwundert, als sie den Vorsteher des
Tuskulanerklosters erblickte. »Was wollt Ihr?«
    Â»Ich bin gekommen, um den Heiligen Vater zu sprechen«, erwiderte der
Mönch.
    Â»Das geht nicht«, sagte Ermilina und schloss hinter sich die Tür. »Mein
Sohn ist krank.«
    Â»Umso besser«, antwortete Bartolomeo mit einem Lächeln. »Eine
Schwächung des Leibes beflügelt oftmals die Seele.«
    Â»Ich verstehe nicht, was Ihr damit meint«, antwortete sie. »Sagt,
was Ihr wünscht, und ich werde sehen, was ich für Euch tun kann.«
    Â»Habt Vertrauen, Contessa Ermilina, und lasst mich zu Eurem Sohn.«
Abt Bartolomeos Miene wurde ernst. »Ich bin Euer Freund und möchte wie Ihr,
dass der Wille des Herrn geschehe!«
    9
    Â»Chiara«, flüsterte Teofilo, »da bist du ja … endlich …«
    Mit einem zärtlichen Lächeln beugte sie sich über ihn. Heiß spürte
er ihren Atem auf seiner Haut. Während er in ihren blauen Augen versank,
streifte sie ihr Tuch vom Kopf, ihr blondes Haar fiel über sein Gesicht und
ihre Lippen formten sich zum Kuss. Ein quälend süßes Sehnen erfasste ihn. Er
versuchte sich aufzurichten, immer noch lächelnd nickte sie ihm zu, aber er war
zu schwach.
    Â»Ich liebe dich …«
    Er hörte ein leises Stöhnen, das sich ihrer Brust entwand. Plötzlich
fiel alle Müdigkeit, alle Erschöpfung von ihm ab, er stützte sich auf die
Ellbogen, streckte ihr seinen Kopf entgegen, um den Kuss zu empfangen, den ihre
Lippen versprachen. Doch in dem Moment, in dem ihre Münder einander berührten,
fuhr ein Blitz zwischen sie. Chiaras Gesicht wurde zur Fratze, und in einem
roten Funkenwirbel zerstob die Fratze vor seinen Blicken.
    Obwohl seine Lider schwer waren wie Blei, öffnete Teofilo die Augen.
    Wo war er?
    Allmählich nahmen die Dinge Konturen an, und er erkannte seine alte
Kammer wieder, in der er als Kind schon geschlafen hatte. Das Holzkreuz an der
Wand, ein Bild der Heiligen Jungfrau, das Lamm Gottes … Ein leerer Stuhl an
seinem Bett zeugte davon, dass jemand bei ihm gewesen war. Zäh wie Leim

Weitere Kostenlose Bücher