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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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er
wissen.
    Chiara nickte. »Ja, ehrwürdiger Vater. Es ist mein fester Entschluss.«
    Â»Trotzdem empfehle ich Euch, ihn nochmals zu prüfen. Ich fürchte,
Euch ist kein Nonnenfleisch gegeben.«
    Â»Ich weiß. Ich bin ein schwaches Weib, und die Treue, die ich meinem
Mann geschworen habe, habe ich nicht nur in meinen Gedanken gebrochen. Aber ich
werde Gott bitten, mir die Kraft zu geben, die Schwäche meines Fleisches zu
überwinden.«
    Â»Der Herr kann sich nicht um alles kümmern, er bedarf unserer
Mitwirkung, damit wir den Weg zum Heil finden.«
    Â»Darum bin ich hier, ehrwürdiger Vater. Um mein Leben ganz in seinen
Dienst zu stellen.«
    Der Abt sah ihr fest in die Augen. »Ist Gottesliebe wirklich und
wahrhaftig der Grund, dass Ihr gekommen seid?«, fragte er. »Bitte bedenkt, das
Kloster ist ein Ort der Berufung, keine Zuflucht, um vor einer Prüfung, die
Gott uns auferlegt, davonzulaufen. Gott will, dass wir uns an dem Platz
bewähren, den er für uns ausersehen hat.«
    Chiara senkte den Blick. Vor ihr auf dem Tisch lag ein aufgeschlagener,
in Leder gebundener Foliant, eine prachtvoll illustrierte Handschrift, die mit
einer schmiedeeisernen Kette befestigt war, damit niemand sie entwenden konnte.
Genauso, dachte sie, war ihr Herz angekettet, und es gab nur eine Möglichkeit,
es aus der Verankerung zu reißen.
    Abt Bartolomeo hob ihr Kinn, damit sie ihn anschauen musste. »Ihr
liebt ihn also immer noch?«, fragte er.
    Sie nickte stumm.
    Â»Aber warum weint Ihr dann?«
    Erst jetzt spürte sie die Tränen auf ihren Wangen. »Weil … weil ich
ihn doch nicht lieben darf …«
    Â»Woher wollt Ihr das wissen?«
    Â»Ach, es kann doch gar nicht anders sein. Benedikt … Teofilo … er
hat so viel Unglück über Rom gebracht, und ich …, ich habe es gesehen, die
ganze Zeit habe ich es gesehen … Und obwohl ich es gesehen habe und wusste, was
jeder in der Stadt weiß, konnte ich … konnte ich trotz allem … konnte und kann
ich nicht aufhören …« Sie brachte das Ende des Satzes nicht über ihre Lippen.
    Â»Ihn zu lieben?«, ergänzte der Abt mit sanfter Stimme.
    Chiara musste so heftig weinen, dass sie zu keiner Antwort fähig
war. Durch den Schleier ihrer Tränen sah sie Bartolomeos Gesicht.
    Â» Deus caritas est «, sagte er. »Gott ist
die Liebe. Wem er verzeiht, dem dürfen auch wir verzeihen.«
    Â»Aber … aber wie könnt Ihr behaupten, dass Gott diesem Mann
verziehen hat?«
    Â»Ihr habt Augen und sehet doch nicht?«, erwiderte Bartolomeo mit
einem Lächeln. »Wenn Gott durch die Ehe, die Ihr mit diesem Mann eingehen
sollt, unserer Stadt den Frieden schenken will, dann hat er ihm verziehen. Warum sollte er ihn sonst zu seinem Werkzeug machen? Ja,
Teofilo di Tusculo hat gesündigt, er hat sein heiliges Amt auf schändlichste
Weise missbraucht, er hat Jesus Christus selbst beleidigt und geschändet. Doch
keine Sünde ist so groß, dass Gott sie nicht verzeihen könnte.«
    Â»Ihr habt mir doch selber von dieser Verbindung abgeraten«, wandte
sie ein. »Nicht nur einmal.«
    Â»Ich weiß«, bestätigte er, »aber Gottes Wahrheit offenbart sich nur
selten in einem einzelnen Akt. Wir müssen versuchen, sie immer wieder neu zu
begreifen, in vielen kleinen Schritten. Und wer weiß, vielleicht bist du, meine
Tochter, dazu ausersehen, Teofilos Seele zu erlösen, durch deine Liebe, die
Gott dir eingepflanzt hat, um diesen sündigen Papst vor der Verdammnis zu retten.«
    Bei den letzten Worten des Abts war es, als hätte jemand in einem
dunklen Raum ein Licht angezündet. Dankbar nahm sie das Tuch, das Bartolomeo
ihr reichte, und wischte sich die Tränen aus den Augen. Sollte es wirklich
Hoffnung geben? Sollte es wirklich möglich sein, dass sie und Teofilo …
    Doch so plötzlich das Licht in ihrem Herzen aufgeflammt war, so jäh
erlosch es wieder.
    Â»Und der Tod meines Mannes?«, flüsterte sie. »Domenico ist im Kampf
gegen Teofilo gestorben. Durch meine Schuld. Hätte ich ihn nicht dazu
getrieben, in diesen Krieg zu ziehen – er wäre heute noch am Leben …«
    Â»Vielleicht«, sagte Bartolomeo. »Wir wissen es nicht. Aber auch das
könnte ein Zeichen sein. Du selbst hast den Gottesfrieden gebrochen, indem du
deinen Mann zum Krieg angestiftet hast. Umso mehr ist es jetzt deine

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