Der Kinderpapst
Soll ich
Euch melden?«
»Nein, ich gehe selbst.«
Zwei Schritte auf einmal nehmend, eilte Teofilo die Treppe hinauf.
Jetzt oder nie! Wenn seine Mutter sah, wie glücklich er war, würde sie
begreifen, dass alles richtig war und gut.
Er klopfte an die Tür.
»Mutter?«
Er klopfte noch einmal. Als wieder keine Antwort kam, machte er auf.
Doch er hatte den Raum noch nicht betreten, da schrak er zusammen. Seine Mutter
lag am Boden, in der Hand hielt sie einen Schal.
»Mutter â¦Â«, rief er und stürzte zu ihr.
Ihr Gesicht war aschfahl. Mit vor Angst und Schmerz verzerrter Miene
fasste sie an ihre Brust. »Teofilo, mein Sohn â¦Â«
Rasselnd rang sie nach Luft. Er beugte sich über sie und griff nach
ihrer Hand. Ein wenig entspannte sich ihre Miene, und die Angst wich aus ihren
groÃen, grünen Augen. Zärtlich schaute sie ihn an.
»Ich wusste, dass du noch einmal kommst, bevor ich â¦Â«
»Nicht reden, Mutter, Ihr dürft jetzt nicht sprechen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiÃ, dass ich sterbe. Dieser Druck
auf der Brust â¦Â« Sie machte eine Pause, um Atem zu schöpfen. »Es ist, als würde
jemand auf mir sitzen â¦Â«
»Bitte, Ihr sollt nicht reden.«
Teofilos Herz zog sich zusammen. Der welke Mund, die eingefallenen
Wangen, das schüttere Haar â war dieser kleine, zerbrechliche Mensch noch seine
Mutter?
Wieder bewegten sich ihre Lippen. »Ich ⦠ich muss es wissen«,
flüsterte sie so leise, dass er sie kaum verstand. »Hast du ⦠hast du dich mit
Gott versöhnt?«
Die Angst kehrte in ihre Augen zurück, und ihre Zähne schlugen
aufeinander wie im Fieber.
Teofilo nickte. »Ja, Mutter. Er hat meine Gebete erhört.«
Ein Leuchten ging über ihr Gesicht, für einen Moment wirkte sie fast
glücklich. »Das ist gut, mein Sohn ⦠Das ist gut. Weil, er hat dich doch
erwählt ⦠Du bist sein Stellvertreter ⦠der Papst â¦Â«
»Ach Mutter, wenn Ihr wüsstet â¦Â«
Er wollte ihr widersprechen, wollte ihr sagen, wer ihn mit Gott
versöhnt hatte. Doch dann begriff er, weshalb seine Mutter zusammengebrochen
war, weshalb sie sterben würde. Aus demselben Grund, weshalb er wieder glauben
konnte, wegen derselben Frau, die Gott ihm geschickt hatte, um ihn von seinem
Dämon zu erlösen.
Als würde sie ahnen, was in ihm vorging, sagte sie: »Du darfst sie
nicht heiraten, hörst du? Niemals!«
»Wovon redet Ihr?«, fragte er, obwohl er die Antwort doch wusste.
»Von dir und diesem Weib! Chiara di Sasso. Wenn du sie heiratest,
wird Gott sich rächen ⦠Nicht an dir, sondern an ihr â¦Â«
Wieder holte sie rasselnd Atem. Oh Gott, sie würde sterben, und sie
hatte nicht mal die Sakramente bekommen! Teofilo wollte aufstehen, um das Oleum
zu holen. Doch seine Mutter war noch nicht fertig, er sah es an ihren
verzweifelten Augen, sie wollte ihm noch etwas sagen. Mit einer Kraft, die viel
zu groà für diesen sterbenden Körper war, die allein der Wille ihr geben
musste, nahm sie seine Hand und presste sie an ihre Brust.
»Darum ruft Gott mich zu sich ⦠Damit ich im Himmel darüber wache,
dass du seinen Willen tust ⦠Wenn du Chiara di Sasso heiratest, wird sie im
Kindbett sterben â¦Â«
»Um Gottes willen!«
»Still!«, unterbrach sie ihn.
Der schwache Druck ihrer Hand befahl ihm zu schweigen.
»Du darfst sie nicht heiraten«, wiederholte sie. »Und du darfst ihr
niemals sagen, weshalb ⦠Sonst kommst du niemals von ihr los ⦠Sie ⦠sie soll
dich hassen. Das ⦠ist das Opfer, das Gott von dir verlangt ⦠Damit er dich
wieder anerkennt ⦠als seinen Sohn.«
Teofilo spürte, wie ihm das Blut in den Adern gefror. »Bitte,
Mutter, ich flehe Euch an! Nehmt diesen Fluch zurück!«
Er wollte ihre Hand küssen, doch sie entzog sie ihm.
»Glaubst du, du kannst Gottes Gerechtigkeit entgehen?«
Sie schaute ihn an, mit ihrer ganzen Liebe, mit ihrer ganzen Angst â
ein letztes Mal, das spürte er, sah er in diese Augen, diese Liebe, diese
Angst, mit der sie ihn umsorgt hatte und umhegt, solange er zurückdenken
konnte.
Mit allerletzter Kraft schüttelte sie noch einmal den Kopf.
»Du darfst sie nicht heiraten, niemals ⦠Noch darfst du ihr sagen,
was dich bewegt ⦠Oder â¦Â«
»Oder was?«
Sie wollte
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