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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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verbracht, wie dieser es ihm zur Buße auferlegt hatte,
um in der Einsamkeit Abbitte für seine Sünden zu tun. Er hatte in der Klause
die prächtigen Kleider seines früheren Amtes gegen eine einfache Kutte
getauscht, und immer, wenn sein Wille zu brechen drohte, hatte er die Worte
wiederholt, mit denen einst der Herr seine Jünger zum Fasten ermahnt hatte.
Dreimal am Tag war er zu dem Bergbach unweit der Einsiedelei gegangen, um sich
zu waschen, hatte dankbar von dem Wasser getrunken und dem Brot gegessen, das
fremde Pilger auf der Schwelle der Einsiedelei abgelegt hatten, die einzige
Speise, die er sich erlaubte und die köstlicher schmeckte als die köstlichsten
Speisen aus der Küche des Papstes, und mit noch größerer Dankbarkeit hatte er
gehungert, wenn er keine Gaben vor der Klause fand, weil das Fasten allen
Schmutz und alles Seelengift aus ihm heraustrieb, um die übrigen Stunden des
Tages vor dem Bildnis der Muttergottes im Gebet zu verbringen, in der Hoffnung
auf Versöhnung mit Gott.
    Voller Angst hatte Teofilo die Buße auf sich genommen. Der Teufel
war in der Wüste sogar Jesus Christus erschienen, und der Gottessohn war der
Versuchung beinahe erlegen. Wie sollte da Teofilo, der so lange Zeit vom
Glauben abgefallen war, dem Versucher widerstehen, wenn der Hunger seinen
Körper schwächte und der Durst seinen Geist und die Sinne verwirrte? Und
wirklich, die ersten Tage hatte er wie um den Tod mit sich gerungen, mit dem
Dämon in seiner Seele, der seinen Willen attackierte und wie eine Ratte an
seiner Widerstandskraft nagte, um Besitz von ihm zu ergreifen, während seine
Zunge pelzig geworden war und er aus allen Poren gestunken hatte wie ein
brünftiger Eber von dem Schmutz und dem Seelengift, das aus ihm heraus trieb.
Doch dann, nach einigen wenigen Tagen, hatten der Hunger und Durst allmählich
nachgegeben, die alten, verbrauchten Kräfte waren geschwunden und aus
unbekannten Quellen waren ihm neue Kräfte zugewachsen, und mit den Qualen des
Leibes hatten sich auch die Gaukelbilder aufgelöst, die Fratzen der Unterwelt,
als würde sein Fasten nicht länger seinen Leib auszehren, sondern den Dämon
selbst, bis Teofilo sich schließlich, nach einer Woche, auf wunderbare Weise
neu und anders gefühlt hatte. Seine Sinne waren geschärft, er sah Farben, die
er nie gesehen, hörte Töne, die er nie gehört, roch Düfte, die er nie gerochen
hatte, wie befreit von den Zwängen seines Leibes, die so lange seinen Geist und
seine Sinne eingeengt hatten. Er fühlte sich rein und leicht, als wäre er zum
ersten Mal Herr seiner selbst, und sein Körper war frei, um allein seinem
Willen zu gehorchen.
    Hatte Gott ihm die Kraft dazu gegeben? Oder war es der Gedanke an
Chiara gewesen, mit dem er jeden Morgen aufgewacht und jeden Abend
eingeschlafen war?
    Deus caritas est …
    Die vierzig Wüstentage waren vorbei. Noch einmal kniete Teofilo vor
dem Bildnis der Muttergottes nieder, das als einziger Schmuck das Innere der
Einsiedelei zierte, noch einmal verließ er die Klause und ging zu dem Bergbach
am Fuße des Weges, wo Schweinsblasen und Räder bergauf zu rollen schienen, noch
einmal zog er sich am Rande des Beckens, in dem sich das Wasser vor einer
Felswand staute, nackt aus, um sich zu waschen, sein Gesicht und seinen Leib.
Dann kehrte er zur Einsiedelei zurück, kämmte sein Haar und rasierte seinen
Bart, kleidete sich in frisches Leinen und holte sein Pferd aus dem Stall.
    Blinzelnd stieg er in den Sattel. Vor ihm lag eine so helle, strahlend
funkelnde Welt im Sonnenschein, dass ihm die Augen überliefen. Die Vögel in den
Bäumen bejubelten den neuen Tag, und das Pferd zwischen seinen Schenkeln
strotzte nur so vor Kraft und Bewegungsdrang, dass es ihm kaum gelang, das Tier
zu zügeln.
    Was war es doch für eine Lust, auf der Welt zu sein!
    Mit einem Jauchzer ließ Teofilo seinem Pferd die Zügel schießen und
galoppierte durch den Wald.
    Chiara wartete auf ihn – Chiara!
    17
    Â»Hier bauen wir unser Haus!«, sagte Teofilo und maß mit großen
Schritten den Grundriss des Gebäudes ab. »Unsere Wolkenburg!«
    Â»Unsere was?«, fragte Chiara.
    Â»Wolkenburg. Komm mit.«
    Er nahm ihre Hand und führte sie auf den Felsvorsprung, von dem aus
man über das Tal schauen konnte, bis nach Rom und zum Meer.
    Â»Ist das nicht wunderschön?« Er zeigte auf den Zaubersee, der in der
Ferne

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