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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Tränen in den Augen sah er zu, wie das
Feuer ihre Schrift verzehrte, bis kein einziger Satz, kein einziges Wort mehr
übrig war von ihrem Brief.
    Â»Wein!«, rief er, als der letzte Buchstabe verschwunden war und das
brennende Pergament in die Flammen sank.
    Statt einer Magd kam sein Bruder Gregorio in die Halle. An den Waden
trug er lehmverschmierte Beinlinge. Offenbar war er gerade aus dem Sattel
gestiegen.
    Â»Ich komme von Petrus da Silva«, erklärte er ohne Begrüßung. »Stimmt
es, was der Affe behauptet? Chiara di Sasso soll trotzdem den Peterspfennig
bekommen? Obwohl die Hochzeit gar nicht stattfindet? «
    Â»Ja«, erwiderte Teofilo. »Ich will, dass sie das Geld bekommt. Das
war der einzige Grund, warum ich bei den Verhandlungen …«
    Â»Bist du wahnsinnig?«, brüllte Gregorio.
    Â»Im Gegenteil«, erwiderte Teofilo, mit einer Ruhe, von der er selber
nicht wusste, woher er sie nahm. »Das war die vernünftigste Entscheidung, die
ich je …«
    Â»Und was wird aus uns?«, fiel Gregorio ihm ins Wort. »Wovon sollen
wir leben?«
    Müde zuckte Teofilo mit den Achseln. »Warum probierst du es nicht in
der Münze?«
    Â»Hast du vergessen, was passiert ist? Du bist nicht mehr der Papst!
Die Münze untersteht jetzt Giovanni Graziano, und der alte Trottel wird einen
Teufel tun, uns zu helfen!« Gregorio lachte bitter auf. »Ja, begreifst du denn
nicht? Ohne den Peterspfennig sind wir erledigt. Alles, was wir besaßen, ging
für deine Wahl drauf! Wir sind arm wie Kirchenmäuse!«
    Wütend warf er seine Handschuhe auf einen Stuhl und griff nach dem
Krug Wein, den eine Magd inzwischen gebracht hatte. Während er einen Becher
einschenkte, ließ er seinen Bruder nicht aus den Augen.
    Teofilo schüttelte den Kopf. »Der Peterspfennig gehört Chiara. Ein
für allemal.«
    Gregorio war außer sich. »Bitte, Teofilo, nimm Vernunft an. Wir sind
auf das verfluchte Geld angewiesen.«
    Â»Das Geld ist unsere einzige Möglichkeit, ein bisschen wiedergutzumachen,
was wir angerichtet haben.«
    Â»Aber dafür kannst du doch nicht unsere Familie ruinieren!«
    Â»Gib dir keine Mühe, die Sache ist entschieden. Der Peterspfennig
gehört Chiara di Sasso!«
    Â»Ich warne dich!« Gregorio packte Teofilo am Kragen. »Reize mich
nicht bis zum Äußersten. Oder …«
    Â»Oder was?«
    Auge in Auge starrten sie sich an, in einem langen, bösen Schweigen.
Teofilo roch den Atem seines Bruders, seinen Schweiß, den Geruch von Pferd und
Stall, spürte die Kraft in diesen großen Händen, die ihn umbringen konnten.
    Doch er spürte keine Angst.
    Â»Dein letztes Wort?«, fragte Gregorio.
    Teofilo nickte.
    Sein Bruder holte tief Luft. »Gut«, sagte er schließlich. »Dann gibt
es nur eine Lösung.«
    Mit beiden Fäusten stieß er Teofilo von sich und stampfte zur Tür
hinaus.
    2
    Der Reisekarren rumpelte so heftig hin und her, dass Chiara
jedes Schlagloch spürte, obwohl Anna die Sitzbank mit dicken Daunenkissen
gepolstert hatte. Zusammen waren sie auf dem Weg in die Stadt. Anna hatte immer
wieder gedrängt, den Kanzler des Papstes aufzusuchen, um die Auszahlung des
Peterspfennigs zu regeln, und schließlich hatte Chiara nachgegeben. Als käme es
darauf noch an … In dem einzigen Brief, den sie von Teofilo erhalten hatte,
hatte er ihr noch einmal ihren Anspruch auf die Gelder versichert, und sie
beschworen, von ihrem Recht Gebrauch zu machen. Doch auf die Antwort auf ihre
Frage, warum er die Ehe mit ihr aufgekündigt hatte, die einzige Frage, die ihr
wirklich am Herzen lag, hatte sie vergeblich gewartet.
    Hatten die Dämonen wieder Gewalt über ihn?
    Die vergangenen Wochen hatte Chiara in einem Albtraum verbracht. Sie
hatte gelitten, wie sie noch nie gelitten hatte, mehr noch als an Domenicos
Grab, und obwohl sie selbst entsetzt war, dass ihre Verzweiflung über Teofilos
Verlust größer war als ihre Trauer über Domenicos Tod, obwohl sie sich vor Gott
und ihrem Gewissen dafür schämte und alles versuchte, Herr ihrer Gefühle zu werden,
vermochte sie es nicht. Sie rührte bei Tisch keinen Bissen an, sie fand in der
Nacht keinen Schlaf, sie magerte ab und wenn sie in den Spiegel schaute,
blickte ihr ein graues, fremdes Gesicht entgegen. Weil es in ihr nur einen
Gedanken gab: Teofilo … War diese Liebe die Strafe für ihren Verrat an

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