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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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etwas sagen, doch ihre Kraft war erschöpft. Und während
ihr Blick brach, sah Teofilo voller Entsetzen in ihren Zügen das Antlitz seiner
sterbenden Geliebten. 
    19
    Chiara blickte auf das Bild ihrer Mutter, das im Kabinett ihres
Vaters hing. Was für ein Mensch war sie wohl gewesen? So oft hatte Chiara sich
gewünscht, mit ihrer Mutter zu reden, von ihrem Kummer, von ihrem Glück, um ihr
das Herz auszuschütten, wie jede Tochter es bei ihrer Mutter tut, um ihren Rat
zu hören, ihren Trost oder ihre Aufmunterung, wenn sie unsicher war. Doch nie,
kein einziges Mal, hatte sie mit ihr sprechen können, nicht mal, als sie noch
ein Kind gewesen war, zumindest konnte sie sich nicht daran erinnern, so früh
war ihre Mutter gestorben. Sie kannte nur dieses halbe, unfertige Gesicht
dieser schönen fremden Frau, von der sie die blonden Locken geerbt hatte und
die blauen Augen und die stumm und wortlos in ihr weiterlebte, in allem, was
sie tat und fühlte und dachte.
    Musste sie sich vielleicht darum immer auf beiden Seiten kratzen,
wenn sie etwas juckte?
    Â»Woran denkst du gerade?«
    Chiara fuhr herum. Vor ihr stand ihr Vater.
    Â»Mein Gott, jetzt habt Ihr mich aber erschreckt. Ich hatte Euch gar
nicht gehört.«
    Â»Nun sag schon, was dich bedrückt! Ich sehe doch, dass du etwas auf
dem Herzen hast. Raus mit der Sprache!«
    Â»Ach, Vater.« Chiara überlegte, wie sie ihm antworten konnte, ohne
ihm ihre Befürchtungen zu verraten. »Also gut«, sagte sie dann. »Es ist –
vielleicht sollten wir mit der Hochzeit lieber warten, bis die Trauerzeit
vorbei ist.«
    Jetzt war es heraus. Ihr Vater schaute sie verwundert an.
    Â»Warum denn das auf einmal?«, wollte er wissen.
    Â»Weil es so üblich ist und alle Witwen ein Jahr warten, bis sie
wieder heiraten.«
    Â»Das ist doch nur, damit es keine dummen Fragen gibt«, erwiderte ihr
Vater, »du weißt schon, weshalb.«
    Â»Ihr meint, falls die Frau ein Kind kriegt?«
    Â»Ja, damit keine Zweifel über die Vaterschaft aufkommen. Aber in
deinem Fall besteht ja wohl keine Gefahr, dass …« Er unterbrach sich und
wechselte das Thema. »Nun, wie auch immer, die Zeit drängt, und Petrus da Silva
sitzt uns im Nacken. Je eher ihr heiratet, sagt er, desto besser. Damit der
Friede in der Stadt hält. Außerdem dachte ich, du und Teofilo, ihr würdet euch
freuen, wenn ihr nicht länger warten müsst. Oder hast du plötzlich Zweifel?« Er
trat auf sie zu und fasste ihre Schultern. »Bist du denn nicht glücklich, mein
Kind?«
    Â»Doch, das bin ich. Sehr sogar. Aber … es ist nur …«
    Â»Es ist nur was? Du meinst – wegen Domenico?«
    Chiara nickte. Seit Wochen hatte sie keine Blutung mehr gehabt, und
die ständige Übelkeit war ihr auch nicht geheuer. Zwar war ihre Regel auch
früher oft durcheinandergeraten – doch war es darum wirklich ausgeschlossen,
dass sie schwanger war? Sie schob die Frage beiseite. Nein, darüber hätte sie
vielleicht mit ihrer Mutter reden können, aber nicht mit ihrem Vater.
    Â»Hast du denn gar kein Vertrauen zu mir?«, fragte er.
    Ein Diener, der das Kabinett betrat, enthob sie der Antwort.
    Â»Der Graf von Tuskulum!«
    Der Diener trat beiseite, um Teofilos Bruder hereinzulassen.
    Â»Was führt Euch zu uns?«, fragte Girardo di Sasso.
    Â»Schlechte Nachrichten«, erwiderte Gregorio.
    Als Chiara sein Gesicht sah, überkam sie eine unbestimmte Angst.
    Â»Was ist passiert?«
    Mit nur mühsam verhohlenem Grinsen zögerte Gregorio die Antwort
hinaus, als würde das, was er zu sagen hatte, ihm zu große Genugtuung bereiten,
um damit vorschnell herauszuplatzen.
    Â»Ich komme im Auftrag meines Bruders«, erklärte er. »Ich soll Euch
ausrichten, es ist ihm unmöglich, Euch zur Frau zu nehmen.«



ACHTES KAPITEL: 1046
    SCHISMA
    1
    Warum, mein Geliebter, warum? Ich kann nicht
mehr essen, ich kann nicht mehr schlafen, mit jedem Schlag meines Herzens muss
ich an Dich denken, und je länger diese Ungewissheit dauert, umso so mehr
verzehre ich mich nach Dir. So sehr, dass ich manchmal glaube, verrückt zu
werden, wie eine Wespe im Honigtopf. Ich weiß, es gibt einen Grund, es muss einen Grund geben, warum Du mir das antust, sonst würdest Du es
doch nicht tun. Aber bitte, quäle mich nicht mit diesem Schweigen, antworte
mir, lass mich zu Dir, lass uns noch einmal einander in die

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