Der Kinderpapst
der
Liebe ihres Mannes? Ein Dutzend Mal war sie zur Burg der Tuskulaner gereist, um
Teofilo zur Rede zu stellen. Doch jedes Mal hatte man sie an der Pforte
abgewiesen. Nur einen Brief hatte sie hinterlassen dürfen.
»Jetzt hör endlich auf, dich zu quälen«, sagte Anna. »Das ist ja
nicht mit anzusehen! DrauÃen scheint die Sonne, wir fahren nach Rom, wo
fünfhundert Pfund Silber auf dich warten, und du ziehst ein Gesicht, als würde
die Welt untergehen!«
»Ich weiÃ, du meinst es lieb, aber was soll ich überhaupt in der
Stadt? Mir ist doch jeder Mensch zu viel, und wenn ich mir vorstelle, mit
Petrus da Silva zu reden â¦Â«
»Schluss jetzt! Ich will das nicht mehr hören! Lass uns lieber
überlegen, was wir mit dem vielen Geld anfangen. König Heinrich soll bald nach
Rom kommen, um sich zum Kaiser krönen zu lassen. Dann werden Tausende von
Pilgern in der Stadt sein. Das ist die Gelegenheit,
deine Pläne wahr zu machen!«
»Ach Anna, was denn für Pläne?«
»Das fragst du? Die Herbergen natürlich! Und die Werkstätten! Das
wollen wir doch mal sehen, ob wir das Geld nicht unter die Leute kriegen!«
Chiara drückte ihre Hand. Anna hatte ja Recht, es hatte keinen Sinn,
das Leben mit Grübeln zu verbringen. Sie musste Teofilo vergessen, er wollte
sie nicht mehr wiedersehen, aus welchen Gründen auch immer, und statt sich in
ihrem Kummer zu verkriechen, war es tausendmal besser, die Dinge zu regeln, die
geregelt werden mussten. Doch ohne Anna hätte sie es nie geschafft, ohne Anna
wäre sie nicht imstande gewesen, sich auf den Weg zu machen. Während sie sich
Albano näherten, dem gröÃten Ort und Bischofssitz vor Rom, überlegten sie also,
wie viele Herbergen sie eröffnen wollten, wie viele neue Werkstätten, in
welchen Stadtvierteln, in welchen Pfarreien.
»Am wichtigsten sind die Basiliken«, meinte Anna, »die muss jeder
Pilger auf der Wallfahrt mindestens einmal besuchen. Vor denen bauen wir unsere
Stände auf. Also sollten die Werkstätten in der Nähe sein.«
»Wir können ja an den Ständen Hinweise für unsere Herbergen
anbringen«, sagte Chiara. »âºSaubere Unterkünfte, ohne Flöhe und Läuse.â¹ Was
hältst du davon?«
»Ohne Flöhe und Läuse«, lachte Anna, »endlich redest du wie ein
vernünftiger Mensch. Aber ob wir das auch halten können? Du weiÃt ja, versprich
nur, was du halten kannst, versprich, dir nicht die Nase abzubeiÃen. â Aber was
hast du?«, unterbrach sie sich, als Chiara schon wieder das Gesicht verzog.
»Hast du dir wehgetan?«
Chiara schüttelte den Kopf. »Nein, es war nichts. Nur ein StoÃ.«
»Komisch, ich habe gar nichts gespürt.«
»Der Stoà kam auch nicht von der StraÃe, sondern ⦠sondern von
innen.«
»Von innen?« Anna schaute sie misstrauisch an.
»Ja, in meinem Bauch.« Chiara spürte, wie sie rot wurde. »Was meinst
du«, fragte sie, »ist es wohl möglich, dass ich ein Kind bekomme?«
»Du? Ein Kind? Von wem denn? Vom Heiligen Geist?« Anna musste
lachen. Doch als sie Chiaras Miene sah, wurde sie ernst. »Kindchen, wie kommst
du darauf? Das kann doch gar nicht sein.«
»Mir war wochenlang übel, und seit Monaten habe ich nicht mehr
geblutet.«
»Das hattest du doch schon öfter«, sagte Anna. »Du bist eine von
diesen Frauen. AuÃerdem, ich dachte, die Hebamme hätte gesagt, es müsste ein
Wunder geschehen, wenn du wirklich noch mal â¦Â«
»Ich weiÃ, was die Hebamme gesagt hat«, erwiderte Chiara. »Ich kann
es ja selber nicht glauben. Aber schau nur!« Sie schlug ihren Umhang beiseite.
Anna blickte auf ihren Bauch, der sich wie eine kleine Kugel unter
der Tunika wölbte.
»Heilige Maria und Joseph«, flüsterte sie und betastete Chiaras
Leib. »Ja, jetzt spüre ich es auch, es bewegt sich, es strampelt, ganz deutlich
sogar.« Mit groÃen Augen richtete sie sich wieder auf. »WeiÃt du noch, wann du
zum letzten Mal mit Domenico �«
Ein Fanfarenstoà unterbrach sie, mit einem Ruck kam der Karren zum
Stehen.
»Es lebe der Papst!«, rief irgendwo jemand. »Es lebe Papst Benedikt!«
Papst Benedikt?
Irritiert blickte Chiara aus dem Guckloch des Wagens. Es war
Markttag in Albano. Zwischen den Buden wimmelte es von Menschen, und keinen
Steinwurf entfernt, vor
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