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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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um sie herum eine Magd gackernde Hühner
fütterte, zwei Knechte quiekende Schweine in die Suhle trieben und die Knappen
verrostete Rüstungen polierten, schielte sie immer wieder zu den Fenstern des
Rittersaals hinauf, von denen lautes Stimmengewirr ins Freie drang. Offenbar
gab es Streit. Gregorio registrierte es mit Genugtuung. Während seine Mutter zu
Gott gebetet hatte, dass die Römer Teofilo zum Papst wählten, hatte er das Bett
seines Bruders mit dem Fell einer schwarzen Katze bestrichen, damit ihr Wunsch
nicht in Erfüllung ging.
    Â»Ich glaube, Eure Gebete wurden nicht erhört«, frohlockte er, als
der Sabiner Severo und sein Sohn Ugolino mit grimmigen Gesichtern aus der Burg
marschiert kamen und ohne Gruß ihre Pferde bestiegen, um im Galopp
davonzureiten. »Das habt Ihr jetzt davon! Ihr hättet mich vorschlagen sollen
statt diesen dämlichen Hosenscheißer!«
    Gab es endlich mal Gerechtigkeit? Solange Gregorio zurückdenken
konnte, hatten seine Eltern ihm Teofilo vorgezogen. Dabei war er nicht nur der
Erstgeborene, der seinem Vater zum Verwechseln ähnlich sah, sondern er
versuchte auch in allem, was er tat, sich und der Welt zu beweisen, wer der
wahre und wirkliche Sohn des Tuskulanergrafen war. Gregorio konnte eine Wildsau
mit bloßen Händen erlegen, er traf mit der Armbrust aus dreihundert Schritt
Entfernung einen Spatzen und hatte schon ein Dutzend Mädchen vergewaltigt! Aber
was immer er tat, es war zu wenig. Denn seine Mutter hatte es sich in den Kopf
gesetzt, dass ihr jüngster Sohn, nur weil sie bei seiner Geburt fast verreckt
wäre, ein Erwählter Gottes sei. Darum sollte Teofilo nun in den Vatikan
einziehen, während er, Gregorio, mit dem Kommando des Stadtregiments abgespeist
wurde. Was für eine Demütigung! Der Gedanke daran machte ihn so wütend, dass er
seine Fingernägel runterkaute bis aufs Blut.
    Â»Sogar die Stallburschen haben mich gefragt, warum Teofilo und nicht
ich.«
    Â»Dann sag den Stallburschen, weil dein Vater und ich es so entschieden
haben. Auf Gottes Geheiß.«
    Â»Auf Gottes Geheiß? Dass ich nicht lache!« Gregorio lutschte das
Blut ab, das unter seinem zerrissenen Daumennagel hervorquoll, und schaute
seine Mutter von der Seite an. »Wisst Ihr eigentlich, dass Euer kleiner
Liebling ein gottverdammter Dieb ist?«
    Â»Was redest du da?«
    Â»Ja, da staunt Ihr! Teofilo hat Euch einen Ring gestohlen. Und ihn
Chiara di Sasso geschenkt! Ich habe es selber gesehen.«
    Gregorio hatte sich schon lange darauf gefreut, seiner Mutter im
passenden Moment die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Doch Ermilina erwiderte nur
voller Verachtung seinen Blick.
    Â»Schämst du dich eigentlich nicht?«, fragte sie. »Deinen Bruder zu
verpetzen wie ein Kind?«
    Sie hatte noch nicht ausgesprochen, da hatte sie das Interesse an
ihm auch schon wieder verloren. Ihr Mann kam in den Hof. Ohne auf die Kuhfladen
zu achten, in die sie mit ihren edlen Hirschlederschuhen trat, eilte sie ihm
entgegen.
    Â»Haben wir es geschafft?«
    Alberico schüttelte den Kopf. »Warum habt Ihr uns keine Tochter
geboren?«, fragte er. »Hätten wir eine Tochter, würden die Crescentier uns
unterstützen. Sie wären bereit, ihren Sohn mit einer Tuskulanerin zu
verheiraten. Dann wären die beiden Familien …«
    Â»Ihr meint – ein Ehebündnis?«, fiel sie ihm ins Wort. Während
Gregorio versuchte zu begreifen, wovon die Rede war, drehte seine Mutter sich
zu ihm herum. »Wem, sagst du, hat Teofilo meinen Ring geschenkt?«
    Â»Chiara di Sasso«, erwiderte Gregorio verwirrt. »Wollt Ihr Teofilo
doch bestrafen?«
    Seine Mutter tätschelte seine Wange. »Wie gut, dass du die Augen
aufgehalten hast«, sagte sie. »Chiara di Sasso …« Während sie den Namen leise
wiederholte, zog sie ein Gesicht wie sonst nur, wenn sie mit dem Einsiedler
betete. »Das ist ein Zeichen des Himmels!«
    12
    Â»Nein!«, flüsterte Teofilo und spürte, wie ihm die Tränen
kamen. »Bitte nicht!«
    Â»Bitte nicht?« Wie ein Riese trat sein Vater vor ihn und verdeckte
mit seinem mächtigen Leib das Fenster, ein dunkles Wolkengebirge, das sich vor
den Himmel schob. »Habe ich richtig gehört? Du widersetzt dich meinem Befehl?«
    Â»Bitte«, wiederholte Teofilo. »Ich will nicht Papst werden. Ich …
ich bin ja noch nicht mal gefirmt.«
    Â»Scheiß auf die Firmung!

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