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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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aufgehen und zu einem
blühenden Strauch heranwachsen. Weil Gott dieses Korn dazu auserwählt hat.«
    Â»Wie aber kann man den Unterschied erkennen?«, fragte Teofilo. »Ich
meine – bei den Menschen?«
    Â»Durch Zeichen, mein Sohn. Wer Augen hat zu sehen, und Ohren hat zu
hören, der weiß sie zu deuten.«
    Â»Das verstehe ich nicht. Wenn mein Bruder behauptet, eine schwarze
Katze bringt Unglück, sagt Ihr, das ist Aberglaube.«
    Â»Das ist es auch.«
    Â»Wie wollt Ihr dann wissen, wenn es kein Aberglaube ist?«
    Â»Die Zeichen, die Gott uns gibt, sind viel erhabener als alle Zeichen,
mit denen die Dämonen uns ihre Irrbilder vorgaukeln. Doch am allererhabensten
sind jene Zeichen, mit denen der Herr uns seinen Willen kundtut, welcher seiner
Söhne ihn auf Erden vertreten soll.«
    Der Eremit faltete seine knochigen Hände und richtete den Blick in
die Höhe, als würde er dort, zwischen den verrußten Deckenbalken der
Einsiedelei, solche Zeichen sehen, geheime Zeichen,
die Teofilo verborgen waren. Während er im Kreis wandelte und sein schlohweißes
Haar ihm auf den Rücken wallte, sprach er von Sonnenstrahlen, die ein
neugeborenes Kind bei seiner Ankunft auf der Welt in jenem Moment begrüßt
hatten, als es gerade zum ersten Mal die Augen aufschlug … Von ausgetrockneten
Brunnen, die bei der Geburt eines anderen Kindes wieder angefangen hatten zu
fließen, ohne dass zuvor Regen vom Himmel gefallen war … Von Blitz und Donner,
die auf ein Haus niedergefahren waren und alles Leben unter dem Dach
vernichtet, ein kleines, hilfloses Kind darin aber verschont hatten …
    Teofilo lauschte seinem Paten mit offenem Mund. »Und welches Zeichen
hat Gott Euch wegen mir gesandt?«
    Graziano zeigte auf das Bild, das als einziger Schmuck die Wände
seiner Klause zierte.
    Â»Du weißt doch, dass meine Augen zu schwach sind, um noch Farben zu
unterscheiden. Doch als ich die Jungfrau um Erleuchtung bat, wer deinem Onkel
als Papst nachfolgen soll, färbten sich ihre Wangen rot, und das Kind auf ihrem
Arm nahm deine Züge an.«
    Teofilo schaute seinen Paten ungläubig an. »Aber … das ist ja ein
Wunder …«
    Giovanni Graziano nickte. »Ja, genau so ein Wunder, wie wenn eine
Schweinsblase auf dem Weg zu meiner Klause bergauf rollt.«
    Teofilo war so verwirrt, dass er nicht mehr wusste, was er denken
sollte. Bis zum Tod seines Onkels hatte ihm sein Leben so klar und deutlich vor
Augen gestanden, als verliefe es auf der Sonnenbahn. Er hatte nicht nur von
seiner Mutter Lesen und Schreiben gelernt, als Einziger unter seinen Brüdern,
er hatte auch, wie jeder Nachgeborene einer großen und bedeutenden
Adelsfamilie, die Erziehung genossen, die jeder künftige Edelmann durchlief. Er
hatte gelernt zu reiten und Hunde abzurichten, mit der Meute und mit dem Falken
zu jagen; er konnte mit Schwert, Axt und Lanze kämpfen; er wusste, wie man
erlegtes Wild ausweidete, und beherrschte die Regeln des Schachspiels; er
konnte ringen und schwimmen, ging mit Pfeil und Bogen ebenso sicher um wie mit
der Armbrust und war außerdem in den höfischen Sitten ausgebildet, sodass er
bei Tisch sich zierlich zu benehmen wusste. Dies alles hatte er erlernt, um
dermaleinst zum Ritter geschlagen zu werden und einen eigenen Hausstand zu
gründen, zusammen mit seiner Frau, zusammen mit Chiara di Sasso, der er als
Kind schon versprochen worden war. Sollte dies alles nun nicht mehr gelten?
    Â»Du bist das Samenkorn, mein Sohn. Das eine Korn unter Tausenden und
Abertausenden, das weder zertreten werden soll noch verkümmern, sondern
aufgehen, um zu einem herrlichen Strauch heranzuwachsen.«
    Teofilo spürte, wie die Reden seines Taufpaten nicht nur seinen
Stolz weckten, sondern noch andere Gefühle, die er gar nicht benennen konnte,
Gefühle, wie er sie bei der Krönungsfeier im Petersdom empfunden hatte, angesichts
der Macht, die der Papst über all die anderen Menschen besaß, über die Könige
und Grafen und Herzöge und sogar über den Kaiser.
    Was war ein Ritter des Kaisers gegen den Kaiser der Kirche?
    Als würde der Einsiedler spüren, was in Teofilo vorging, ergriff er
seine Hände. »Willst du dich einem solchen Ruf verweigern, mein Sohn? Dem Ruf,
Gottes Stellvertreter auf Erden zu sein?«
    Â»Gottes Stellvertreter auf Erden …« Während Teofilo die Worte voller
Andacht wiederholte, erwuchs vor

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