Der Kinderpapst
Wenn sie noch nicht mal wusste,
wie Kuchen schmeckte, mussten ihre Eltern furchtbar grausam sein.
»Zu meinem Namenstag backe ich einen Honigkuchen und lade Francesca
ein«, sagte sie.
»Wer weiÃ, ob du an deinem Namenstag überhaupt noch hier bist«,
erwiderte Anna.
»Nicht hier? Wo denn sonst?«
»Frag die Wassergeister! Vielleicht wissen die es ja!«
War das einer von Annas Witzen? Oder wollte sie damit etwas
andeuten, wovon Chiara noch nichts wusste? Dass vielleicht Teofilo und sie
schon ganz bald ⦠Der Gedanke war so schön, dass sie sich nicht traute, ihn zu
Ende zu denken.
»Jetzt sag schon! Was sollen die Wassergeister wissen?«
»Wartâs ab!«
Auf der Burg wurde Chiara schon erwartet. Aber die Wassergeister
hatten nichts damit zu tun. Mit einer unfertigen Bettdecke in der Hand stand
ihr Vater auf der Schwelle des Nähzimmers und schaute sie vorwurfsvoll an. Kein
Wunder, Chiara war mit der Arbeit an ihrer Aussteuer gehörig in Verzug.
»Na endlich«, sagte er. »Ich muss mit dir sprechen.«
Seine Stimme klang so ernst, dass ihr das Herz in die Hose rutschte.
Wenn ihr Vater wusste, wo sie mit Francesca gewesen war, würde es nicht bei
einer Ermahnung bleiben. Dann bekam sie Stubenarrest. Mindestens.
»Ich hab doch nur wissen wollen, ob es wirklich so was gibt«, sagte
sie leise.
»Ob es was gibt?«.
»Wassergeister.«
»Davon will ich jetzt gar nichts hören.« Mit zärtlichem Lächeln nahm
ihr Vater sie in den Arm. »Meine groÃe kleine Tochter«, sagte er und drückte
sie an sich. »Ich habe eine wunderbare Nachricht für dich.«
15
Während auf den StraÃen und Plätzen Roms die Menschen auf die
Proklamation des neuen Papstes warteten, stand Teofilo einsam und verlassen
inmitten einer Schar purpurrot gewandeter Greise. Ein Kardinal, den er noch nie
im Leben gesehen hatte, ein uralter Mann mit einem Gesicht, das nur aus Falten
bestand und dessen Hals wie bei einem Truthahn vom Kinn herabhing, trat auf ihn
zu.
»Seid Ihr bereit, das Amt anzunehmen?«
Teofilo schluckte. Dreimal, so hatte man ihm gesagt, würde die Frage
an ihn gerichtet, und zweimal solle er sie verneinen, bevor er sie bejahte,
damit die Versammlung der Kardinäle ihn zum Papst ernennen konnte â so verlange
es das Ritual. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen, um die Antwort zu geben, die
der Kanzler Petrus da Silva ihm noch am Morgen eingetrichtert hatte. Doch sein
Mund war vollkommen ausgetrocknet, und so brachte er nur ein klägliches
Kopfschütteln zustande.
»Seid Ihr bereit, das Amt anzunehmen?«, fragte der Truthahn zum
zweiten Mal.
Wieder verneinte Teofilo stumm. In der Einsiedelei, fernab der Welt,
hatte sein Taufpate ihn auf die Thronbesteigung vorbereitet â so gut die wenige
Zeit es erlaubt hatte. Von der Priesterweihe über seine Erhebung zum Bischof
und Kardinal bis zum heutigen Tag, an dem er vor Gott aufs Neue geboren werden
sollte, waren nicht mal drei Monate vergangen. Und je näher dieser Tag
herangerückt war, umso gröÃer war die Angst geworden, was mit ihm geschehen
würde.
»Seid Ihr bereit, das Amt anzunehmen?«, fragte der Truthahn zum
dritten Mal.
Alles in Teofilo schrie nein, nein, nein! Wenn er doch nur davonlaufen
könnte. Aber sein Vater hatte ihm gedroht, ihn mit eigenen Händen zu erwürgen,
wenn er nicht gehorchte.
»Ja«, flüsterte er also und nickte. »Ich ⦠ich bin bereit.«
»Dann lüftet Euer Gewand und setzt Euch auf diesen Stuhl.«
Der Truthahn zeigte auf ein Gestell, das wie ein Abort aussah, mit
einem kreisrunden Loch in der Mitte. Kaum hatte Teofilo darauf Platz genommen,
bückte sich ein junger Kaplan vor ihm zu Boden, griff unter den Stuhl und sein
Hemd und betastete seinen nackt herabhängenden Hodensack. Voller Entsetzen
spürte er, wie sich bei der Berührung durch die fremde Hand sein Glied aufrichtete,
begleitet von einem bedrohlichen, unheimlichen Gefühl, einer Mischung aus
Ohnmacht und Lust. Während sein Glied immer weiter anwuchs, versuchte er, das
Gefühl zu unterdrücken, aber etwas anderes in ihm war stärker als seine
Willenskraft. Hoffentlich hörte das auf, bevor er das Gestell verlassen musste!
»Testiculos habet« , bestätigte der Kaplan. »Deo gratias.«
»Dominum papam sanctus Petrus elegit« ,
seufzte der Truthahn. »Der Herr hat Euch zu Petri Nachfolger
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