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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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erwählt, Eminenz.
Erhebt Euch.«
    Nie hatte Teofilo größere Scham empfunden, nicht mal, als Ugolino
ihn vor Chiaras Augen entblößt und gedemütigt hatte. Am liebsten wäre er im
Boden versunken.
    Â»Bitte steht auf!«, wiederholte der Truthahn.
    Endlich gab die fremde Macht in ihm nach, und sein Glied schrumpfte.
Teofilo schickte ein Dankgebet zum Himmel und wartete, bis der Kaplan sich
entfernte. Dann bedeckte er seine Blöße und gehorchte.
    Â»Mit welchem Namen wollt Ihr gerufen werden?«
    Â»Be… Be… Benedikt …«, stammelte er. »Benedikt IX .«
    Der Name kam ihm so fremd und falsch und bedrohlich vor. Es war, als
würde er mit dem Namenskleid in ein teures und prachtvolles Gewand schlüpfen,
das ihm viel zu groß war, weil es einem anderen gehörte, einem viel
bedeutenderen Menschen als ihm. Sein Vater hatte den Namen für ihn ausgewählt –
eine Ehrbezeugung vor seinem Onkel und Vorvorgänger im Amt, Benedikt VIII ., der nicht nur das Wohl der Kirche gemehrt hatte,
sondern auch das Wohl seiner tuskulanischen Familie.
    Wurde das jetzt etwa auch von ihm erwartet? Wie sollte er das jemals
schaffen?
    Â»Bitte folgt mir nach.«
    Der Truthahn trat beiseite, und Petrus da Silva führte Teofilo in
einen kleinen, mit roter Farbe ausgekleideten Raum, in dem drei weiße Soutanen
unterschiedlicher Größen sowie eine mit Gold bestickte Stola bereitlagen.
Teofilo wusste, dieser Raum wurde der »Saal der Tränen« genannt, weil sich hier
die neuen Päpste von ihrem alten Leben verabschiedeten. Doch er selber war so
verängstigt und durcheinander und gleichzeitig so leer, dass er nicht mal
weinen konnte. Keine einzige Träne quoll aus seinen Augen. Als wäre es gar
nicht er selbst, der den Raum betrat, sondern ein Fremder.
    Â»Eigentlich kleidet der Papst sich hier allein an«, erklärte Petrus
da Silva. »Aber wenn Ihr wollt, bin ich Euch gern behilflich.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm der Kanzler die kleinste der drei
Soutanen, wie sie Teofilos Körpergröße am ehesten entsprach, und reichte sie
ihm. Mit Bewegungen, die nicht seinem Willen entsprangen, wechselte Teofilo das
Gewand. In der Soutane verlor er sich wie in einem Zelt. Damit der Stoff ihm
nicht über die Schultern rutschte, legte Petrus da Silva ihm die Stola um und
befestigte diese am Rand des Überkleids. Dann kniete er vor ihm nieder.
    Â»Ewige Heiligkeit!«
    Die Worte erreichten Teofilos Ohren, doch sie drangen nicht in ihn
ein. Wie in einem Traum nahm er den Kreuzstab, den Petrus da Silva ihm reichte
und der fast doppelt so hoch war wie er selbst, und folgte dem Kanzler in seinen
viel zu langen, über den Boden schleifenden Gewändern zurück in den Saal, wo
die Kardinäle einer nach dem anderen das Knie vor ihm beugten, um sich dann zu
einem Zug zu vereinen, der ihn zur Sakristei und von dort aus weiter in die
leere, düstere Basilika geleitete. Vom Mittelschiff aus erblickte Teofilo durch
die geöffneten Flügel des Portals eine riesige Menschenmenge, die sich draußen
auf dem Vorplatz versammelt hatte: unzählige Augenpaare, die begierig darauf
warteten, ihn zu sehen.
    Ihm wurden die Knie so weich, dass er sich an seinem Stab festhalten
musste. Wie sollte er vor so viele fremde Menschen treten? All die
komplizierten Worte und Formeln, die er seit Tagen versucht hatte auswendig zu
lernen, schwirrten ihm durch den Kopf, ohne Ordnung und ohne Sinn. Keinen Ton
würde er über die Lippen bringen.
    Â»Bitte, lasst mich gehen«, flüsterte er.
    Â»Noch nicht.« Petrus da Silva hielt ihn am Arm zurück. Während
Teofilo an seiner Seite im Dunkel des Gotteshauses verharrte, trat der Truthahn
hinaus auf die Treppe. »Erst nach Eurer Proklamation.«
    Während Teofilo die Ausdünstungen fauler Zähne im Atem des Kanzlers
roch, vermischt mit dem Geruch zerkauter Pfefferminze, verebbte draußen der
Lärm, und für einen Augenblick war es so still, dass man sogar die Spatzen
zwitschern hörte.
    16
    Â»Habemus papam!« , rief Kardinal
Pisano, der Zeremonienmeister des apostolischen Palasts, mit brüchiger Stimme
in die Stille hinein. »Ich verkünde euch große Freude. Wir haben einen Papst,
Seine Eminenz, den hochwürdigsten Herrn Teofilo, der Heiligen Römischen Kirche
Kardinal di Tusculo, welcher sich den Namen Benedikt IX .
gegeben hat.«
    Tosender Jubel brandete auf, und

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