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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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sicherte, Tag und Nacht
bei sich. Er hatte sie in Wachstuch eingeschlagen und an seinem Leib
festgebunden. Sogar sein Vater hatte ihn dafür gelobt.
    Â»Ihr hättet Teofilos dummes Gesicht sehen sollen«, sagte er. »Der
verdammte Klugscheißer! Hält sich für so schlau! Dabei ist er in Wahrheit zu
blöd, um sich am Sack zu kratzen.«
    Â»Aber wird der neue Papst unsere Ansprüche anerkennen?«, fragte sein
Bruder.
    Â»Ja«, meinte auch Pietro, »warum sollte er das Geld rausrücken?«
    Â»Verlasst euch ganz auf mich!« Gregorio machte eine Pause, um die
erwartungsvollen Blicke seiner Brüder zu genießen. Dann fügte er hinzu: »Wir
brauchen nur ein bisschen Geduld. Kann sein, dass Bruno Verhandlungen erst mal
ablehnt, kann sogar sein, dass er uns angreift. Wir müssen mit allem rechnen.
Aber wenn er sieht, dass er bei uns auf Granit beißt, wird er einlenken.«
    Â»Um verhandeln zu können, müssen wir ihm aber irgendetwas bieten«,
sagte Ottaviano. »Was haben wir zu bieten?«
    Â»Woher soll ich das wissen?«
    Verärgert biss Gregorio sich in den Daumen. Ottaviano hatte ja
Recht: Kein Geschäft ohne Gegengeschäft, das war überall so: Wer ficken will,
muss zahlen!
    Plötzlich hatte er eine Erleuchtung.
    Â»Wir bieten ihm – nichts!«
    Â»Nichts?«, fragten seine Brüder wie aus einem Munde.
    Â»Ja, ihr habt richtig gehört«, sagte Gregorio. »Wir bieten ihm an,
still zu halten. Ihm nicht in die Quere zu kommen.«
    Â»Meinst du, das reicht?« Ottaviano zog eine Schnute. Das hatte er
schon als kleiner Junge getan, wenn ihm das Essen nicht schmeckte.
    Â»Muss man euch wirklich alles erklären?«, fragte Gregorio. »Nicht
mal Heinrich hat gewagt, uns die Stirn zu bieten. Er war mit tausend Mann hier
und hat überall aufgeräumt, in Latium und im Süden. Nur mit einer Familie hat
er sich nicht angelegt.«
    Â»Mit uns!«, rief Ottaviano. »Den Tuskulanern!«
    Â»Genau! Weil er Schiss vor uns hat!«
    Â»Und das heißt?«
    Â»Dreimal darfst du raten! Wir müssen dem neuen Papst die Zähne
zeigen, um ihm den Frieden schmackhaft zu machen. Wenn er begreift, dass wir
bereit sind, seine Herrschaft anzuerkennen, wird er im Gegenzug auch unsere
Ansprüche anerkennen und lieber das Geld zahlen, als einen Krieg mit den
Tuskulanern zu riskieren.«
    Ottaviano grinste. »Ich wusste gar nicht, wie gerissen du bist. Ich
glaube, du wärest auch ein guter Papst geworden.«
    Â»Bei meinem Schwanz«, rief Gregorio, »das wäre ich!«
    Nur Pietro, der jüngste der drei Brüder, schien noch nicht überzeugt.
Nachdenklich drückte er sich einen Pickel aus.
    Â»Und was ist mit dem Kind?«, wollte er wissen.
    Â»Welches Kind?«, lachte Gregorio. »Ich weiß von keinem Kind!« Dann
formte er seine Hände zu einem Trichter vor dem Mund und rief den Arbeitern auf
der Baustelle zu: »Legt euch ins Zeug, Männer! Heute Abend gibt’s ein Fass
Branntwein!«
    Â»Ein Hoch auf Conte Gregorio!«, scholl es ihm aus hundert Kehlen
entgegen. »Es lebe unser Burgherr!«
    9
    Vom Turm der Burgkapelle läutete es zum Angelus. Chiara trat
ans Fenster ihrer Kemenate und schaute hinunter in den Hof, in dem die
Abendsonne lange Schatten warf. Am Morgen hatte ihr Vater den Boten zu den
Tuskulanern geschickt, um Verhandlungen anzubieten, und noch immer warteten sie
auf seine Rückkehr. Unten im Hof, in der Nähe des Hühnerstalls, spielten ein
paar Kinder im Dreck, zwei barfüßige Jungen bekämpften sich mit Stöcken, ein
paar Mädchen schauten ihnen zu und flochten Kränze aus Gänseblümchen,
wahrscheinlich für den Sieger des Zweikampfs. So hatte Chiara früher auch mit
Francesca gespielt, Annas Nichte, ihrer besten Freundin. Was für fröhliche und
unbeschwerte Zeiten waren das gewesen … Sie hatten in ihren Spielen die ganze
Welt erkundet, sie waren Feen und Hexen begegnet, und einmal hatten sie sich
sogar heimlich hinunter zum Zaubersee gewagt, obwohl ihr Vater das streng
verboten hatte. Bis zum Hals hatte Chiaras Herz geklopft, als sie mit Francesca
auf die Wassergeister gewartet hatte, ganz aufgeregt und voller Hoffnung, dass
ein Wunder geschah. Doch heute? Mit jeder Stunde, die verstrich, sank ihre
Zuversicht, so wie die Abendsonne über den Wäldern, und allein ihre Angst lebte
in ihr fort, die Angst um ihr Kind füllte sie

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