Der Kinderpapst
Herr.«
»Wirklich nicht, Herr.«
»Aber ein Kind, das schreit doch! Wenn es Hunger hat oder Durst! Das muss man doch hören! Egal, wo es versteckt ist!«
»Bitte Herr, Ihr müsst uns glauben.«
»Hier war kein Kind.«
»Das ist die Wahrheit.«
Teofilo zerquetschte den Pfirsich in seiner Hand. »Wehe, ihr lügt
mich an!«
»Wir lügen nicht, Herr.«
»Nein, Herr.«
»Wirklich nicht, Herr.«
»Niemals, Herr.«
»Ihr seid doch der Heilige Vater!«
Teofilo warf den zerquetschten Pfirsich in einen Spuckeimer.
Mehrmals hatte er das Haus auf den Kopf gestellt, vom Keller bis zum Speicher,
und jeden verhört, den er in irgendeiner Kammer des Gebäudes angetroffen hatte.
Er hatte mit den Hausherren und Dienstboten der Nachbarschaft gesprochen, mit
den Leuten auf der Gasse, mit den Handwerkern und Krämern, mit den Bäckern und
Fleischern und Gemüsebauern, in der ganzen Gemeinde â sogar die Krüppel und
Bettler, die an den StraÃenecken hockten, hatte er nach Chiaras Kind befragt,
in der Hoffnung, dass ihnen etwas aufgefallen war. Doch keine Spur, nicht das
kleinste, geringste Lebenszeichen. Während Gregorio die Urkunde bereits besaÃ,
durch seine, Teofilos, Schuld, und sein Bruder keinen Grund mehr hatte,
Rücksicht zu nehmen â¦
Wie sollte er Chiara je wieder unter die Augen treten?
»Ein Pferd!«, rief er.
Er wollte zur Burg reiten. Wenn Gregorio das Kind nicht im Stadthaus
versteckt hielt, musste es auf der Burg sein. Er lieà die Dienstboten stehen
und eilte hinaus.
Im Hof stand schon ein Pferd bereit. Er nahm die Zügel auf und
schwang sich in den Sattel. Aber als er den Wallach wendete, kam ihm plötzlich
ein Gedanke: Doch, es gab noch einen Ort, wo Gregorio das Kind versteckt haben
konnte â die Laterna Rossa! Nirgendwo sonst hielt sein Bruder sich so oft auf
wie in dem Hurenhaus, und nirgendwo sonst hatte er mehr Freunde als dort.
Doch so plötzlich Teofilo der Gedanke gekommen war, so schnell
verwarf er ihn. Nein, Chiaras Kind war eine viel zu wertvolle Geisel, als dass
Gregorio sie den Huren anvertrauen würde. Er hielt das Kind auf der Burg
versteckt, in der Obhut seiner Brüder.
»Hüh!«
Teofilo machte auf der Hinterhand kehrt und gab seinem Tier die Sporen.
In der Abenddämmerung erreichte er sein Ziel. Düster erhoben sich
die Türme über den Wäldern. Schon von Weitem sah Teofilo, dass die Burg gegen
einen Angriff gerüstet war. Das Tor war verriegelt, die Fensterläden
verschlossen, die Zinnen bewehrt: eine Festung, die der ganzen Welt zu trotzen
schien.
»Aufmachen!«
Er sprang aus dem Sattel und trommelte gegen das Tor.
»Aufmachen! Verflucht noch mal!«
Es dauerte eine Ewigkeit, bis die Klappe an der Pforte aufging. In
der Ãffnung erschien das Gesicht seines Bruders.
»Verschwinde«, sagte Gregorio. »Hier störst du nur.«
Er wollte die Klappe zuschlagen, doch Teofilo fuhr blitzschnell mit
der Hand durch die Ãffnung und packte ihn am Kragen.
»Du machst sofort auf! Verstanden?«
Die beiden Brüder schauten sich an. Die Stirnglatze, der Vollbart,
das wettergegerbte Gesicht â Gregorio sah seinem Vater so ähnlich, dass es
beinahe komisch war. Aber anders als sein Vater war sein Bruder, das begriff
Teofilo in diesem Augenblick, ein hundserbärmlicher Feigling.
»Aufmachen«, zischte er.
Gregorios Augen zuckten, dann senkte er den Blick. »Also gut«, sagte
er. »Ich mache auf. Aber dafür musst du mich loslassen.«
Teofilo packte noch fester zu. »Schwörst du, dass du dann wirklich
aufmachst?«
»Ich schwöre!«
»Beim Geist unseres Vaters?«
In Gregorios Augen flackerte Angst.
»Beim Geist unseres Vaters?«, wiederholte Teofilo.
»Beim Geist unseres Vaters«, bestätigte Gregorio.
»Wehe, du lügst. Du wirst in der Hölle braten.«
Zögernd lieà Teofilo ihn los. Die Klappe fiel zu, dann hörte er
Schritte, dann nichts. Eine lange, bangvolle Minute wartete er.
Hatte Gregorio seinen Schwur gebrochen?
Da öffnete sich knarrend die Pforte.
»Endlich!«
Teofilo drängte in den Spalt, bevor sein Bruder sich anders entschied.
Doch er hatte den Hof noch nicht betreten, da fiel eine Horde Männer über ihn
her. Von links und rechts packten sie ihn, schleiften ihn an den Kleidern fort
und warfen ihn in ein Verlies.
Während er sich im Stroh
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