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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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brauche ich Eure
Hilfe.«
    Â»Meine Hilfe? Wie stellst du dir das vor?«
    Chiara zögerte. Ihr Vater wirkte plötzlich so alt, so müde, so gebrechlich … Durfte sie ihn in eine so gefährliche Sache hinein ziehen?
    Als in der Basilika Chorgesang anhob, begann sie zu sprechen. Sie
hatte keine Wahl, ihr Vater war der einzige Mensch, dem sie vertrauen konnte.
Also sprach sie während des Stufengebets, während des Kyrie, während der
Lesungen. Ihr Vater machte weder Einwände, noch stellte er Fragen. Ohne sie ein
einziges Mal zu unterbrechen, hörte er ihr zu. Doch je länger sie sprach, desto
mehr füllte sich sein Gesicht mit Angst, und immer wieder zupfte er an seinem
Spitzbart, wie er es stets tat, wenn er nervös war.
    Als aus dem Dom das Gloria erschallte, hatte Chiara alles gesagt,
was sie zu sagen hatte.
    Â»Und?«, fragte sie.
    Ihr Vater räusperte sich. »Dein Plan ist gefährlich«, sagte er.
»Sehr gefährlich sogar. Du gefährdest damit nicht nur dein eigenes Leben,
sondern auch das Leben deines Kindes.«
    Â»Ich weiß«, sagte sie. »Aber es ist die einzige Möglichkeit, Nicchino
wieder zu bekommen.« Sie stockte, dann fügte sie hinzu: »Ihr wollt mir also
nicht helfen?«
    Â»Wer hat das gesagt? Du bist meine Tochter und ich weiß, wie dir
zumute ist. Nicchino ist das Wertvollste, was du hast. Jetzt zieh nicht so ein
Gesicht«, sagte er. »Natürlich werde ich dir helfen! Und wenn es das Letzte
ist, was ich tue.«
    Chiara fiel ihm um den Hals. »Das wollt Ihr wirklich tun?«
    Â»Wie kannst du nur fragen?« Behutsam fasste er sie an den
Handgelenken und machte sich von ihr frei. »Was sollen die Leute denken? Komm«,
sagte er und reichte ihr den Arm. »Wir sollten endlich hineingehen, sonst
verpassen wir die Predigt.«
    Chiara hakte sich unter, und zusammen gingen sie in das Gotteshaus.
Plötzlich wirkte ihr Vater gar nicht mehr alt und ängstlich und erschöpft,
sondern so, wie sie ihn aus ihrer Kindheit in Erinnerung hatte.
    Als sie den Dom betraten, stand Leo schon auf der Kanzel. Wie die
Mähne eines Löwen schaute sein blondes, wallendes Haar unter der Tiara hervor,
während er mit lauter Stimme seine Botschaft verkündete.
    Â»Wir haben unsere Wahl nur unter der Bedingung angenommen, dass
nicht allein die Versammlung der Kardinäle uns auf den Thron hebt, sondern auch
das römische Volk! Zum Wohle Roms und zum Ruhme Gottes!«
    Applaus brandete auf.
    Â»Darum geloben wir feierlich, den Augiasstall, den wir hier
vorgefunden haben, so gründlich auszumisten, bis wieder das Fundament sichtbar
wird, auf dem unsere Kirche gebaut ist. Kein Stein soll auf dem anderen
bleiben! Und wir werden alle bestrafen, die an dem Niedergang der Heiligen
Stadt Schuld und Mitschuld tragen.«
    Â»Heil Euch!«, rief das Volk. »Heil Euch, Papst Leo!«
    Er hob die Arme, um die Ruhe wiederherzustellen.
    Â»Und zum Zeichen, dass nun ein wahrhaft neues Zeitalter anbricht,
schließen wir Teofilo di Tusculo aus der Gemeinschaft der Kirche aus, um ihn
für immer von Gott zu trennen!«
    Â»Heil Euch! Heil Euch, Papst Leo!«
    Chiara fiel ein in den Jubel. Mit leuchtenden Augen schaute sie
ihren Vater an, während der Pontifex noch einmal seine Stimme erschallen ließ.
    Â»Und darum erklären wir den Tuskulanern den Krieg!«
    13
    Â»Aaaaaaaaaattacke!«
    Wieder hallte der Befehl zum Angriff über das Tal. Kaum war das Echo
in den Wäldern verklungen, donnerte der Rammbock gegen das Tor, und das Kastell
erbebte in seinen Grundmauern. Seit vier Tagen und drei Nächten bestürmte Papst
Leo mit seinem Heer die Burg der Tuskulaner. Noch hielten die vermauerten Tore
dem Ansturm stand – aber wie lange würde die Armierung dem Rammbock
widerstehen? Die ersten Angriffswellen waren bereits erfolgt, als die
Befestigungsarbeiten noch in vollem Gang gewesen waren, und der Mörtel in den
Fugen war noch frisch und weich.
    Teofilo stand am Gitterfenster seiner Zelle und starrte ohnmächtig
auf die Hölle, die vor seinen Augen tobte. Alles, was Arme und Beine hatte, war
auf den Wehrgängen postiert, um das Kastell zu verteidigen. Ritter schossen
ihre Armbrüste ab oder schleuderten Lanzen, Bauern warfen Steine und
Felsbrocken in die Tiefe, Knappen und Frauen und Greise gossen Kübel mit
kochendem Wasser auf die Angreifer herab, siedendes Fett und Pech, Jauche und
Viehmist,

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