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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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haben keine Stimme vor Gericht!«
    Â»Richtig!«
    Während die Rufe verhallten, bekam Chiara Angst. Konnte sie von
ihrer Waffe womöglich gar keinen Gebrauch machen? Weil ihr Wort nicht galt?
Petrus da Silva hatte ihr versprochen, dass Severo alles daran setzen würde,
den Tuskulaner zu verurteilen. Fürchtete der Sabiner jetzt, sich den Unmut des
Papstes zuzuziehen?
    Der Mund trocknete ihr aus, und ihre Kehle schnürte sich zu. Wenn
sie nicht aussagen durfte, war alles vergebens, und sie würde Nicchino nie
wiedersehen.
    Mit seinem Richterstab sorgte Severo für Ruhe. Petrus da Silva trat
zu ihm an den Tisch und ordnete umständlich seine Soutane, bevor er zu reden
anfing.
    Â»Ich weiß«, sagte er schließlich, »es ist ein nur wenig verbreiteter
Rechtsbrauch. Aber in einigen der bedeutendsten Diözesen unserer heiligen
Kirche gilt das Zeugnis einer Frau vor Gericht so viel wie die Aussage eines
Mannes, zum Beispiel in der Diözese Köln.«
    Vorsichtig schielte Severo hinüber zum Papst. Sein Gesicht gab
keinen Hinweis, was Leo dachte, mit undurchdringlicher Miene saß er auf seinem
Thron, und statt sich zu äußern, gab er nur mit der Hand ein Zeichen, das
Verfahren fortzusetzen.
    Â»Was ist Köln im Vergleich zu Rom?«, erwiderte Severo unsicher. »Rom
ist die Heilige Stadt. Andere Städte müssen sich an ihr ein Beispiel nehmen,
nicht umgekehrt.«
    Â»Gewiss«, pflichtete Petrus da Silva bei. »Doch kann es ein gewichtigeres
Beispiel geben als das Beispiel unseres Herrn?«
    Â»Was wollt Ihr damit sagen?«
    Â»Der Mensch, den unser Herr am meisten liebte, war eine Frau, die
Jungfrau und Muttergottes. Würdet Ihr, wenn sie heute vor uns stünde, auch ihr
das Recht zur Aussage verweigern?«
    Â»Natürlich nicht«, entgegnete Severo. »Aber hier geht es nicht um
die Heilige Jungfrau, sondern um Chiara di Sasso. Und es steht geschrieben: ›Das Weib sei dem Manne untertan!‹«
    Â»Die Worte des Heiligen Paulus – ich kenne sie.« Petrus da Silva
machte eine Pause. »Aber wiegen die Worte eines Apostels mehr als die Worte des
Gottessohnes? Jesus Christus hat seine Jünger gelehrt: ›Vor Gott dem Vater sind
alle gleich.‹«
    Verwirrt blickte der Sabinergraf in den Kreis seiner Schöffen, die
ihm links und rechts zur Seite saßen. Dann schaute er wieder auf den Papst.
    Leo nickte.
    Severo begriff. »Dann fordere ich die Zeugin auf, sich zu erheben!«
    Chiara atmete auf. Sie wollte Gregorios Angst schüren, bis er bereit
war, ihre Forderung zu erfüllen.
    Â»Kann ich mich auf Euch verlassen?«, fragte sie leise ihren Vater,
der hinter ihr saß.
    Statt einer Antwort drückte er ihr den Arm.
    Mit klopfendem Herzen erhob sie sich und trat vor den Richter.
    Â»Was könnt Ihr von den Ereignissen am Hochfest der Apostel Peter und
Paul in der Basilika des Papstes berichten?«, fragte Severo. »Wart Ihr bei der
Messfeier zugegen?«
    Â»Nein«, erwiderte Chiara. »Aber mein Mann. Auf dem Totenbett hat er
mir anvertraut, was sich an diesem Tag in St. Peter zugetragen hat.«
    Â»Und – was hat Euer Gemahl gesagt?«
    Â»Dass alle Männer vor Betreten des Gotteshauses entwaffnet wurden,
mit Ausnahme des Tuskulaners Gregorio, dem Sohn des Ermordeten, der die
Entwaffnung selber geleitet hat. Nur der Kommandant des Stadtregiments hatte
ein Messer bei sich, als das Hochamt begann.«
    Â»Hat Euer Gemahl gesehen, dass der Angeklagte während der Messe
Gebrauch von seiner Waffe gemacht hat?«
    Chiara wandte sich ab, um einen Blick auf Gregorio zu werfen. Der
Tuskulaner war blass, und aus seinen Augen sprach Angst, während er wie besessen
an seinen Nägeln kaute.
    War seine Angst schon groß genug?
    Â»Ich fordere Euch auf, zu sprechen«, mahnte der Richter. »Doch ich
warne Euch, Chiara di Sasso. Es geht um Leben und Tod!«
    16
    Gregorio brach der Schweiß aus. Er hatte doch alles so gut durchdacht:
Chiaras Balg gegen den Peterspfennig … Und jetzt sagte dieses Weib gegen ihn
aus, vor einem Richter, der sich nichts so sehr wünschte, als sich an ihm für
den Tod seines Sohnes zu rächen. Er schwitzte so stark, dass er seinen eigenen
Gestank kaum ertrug. Wenn er wenigstens wüsste, ob man seinen Bruder vorladen
würde. Teofilo war der einzige Mensch, der ihn retten konnte.
    Â»Habt Ihr Euer Gewissen geprüft, Chiara di Sasso?«, fragte

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