Der Kinderpapst
Peterspfennigs
garantierte.
»Ja, das ist es«, erklärte er. »Sperrt die Zelle wieder zu.« Der
Papst reichte das Fundstück einem Sekretär, dann verlieà er mit seinem Gefolge
den Ort. »Und Ihr, edler Graf Tuskulum«, rief er, ohne sich umzudrehen,
»solltet Euch schleunigst wieder anziehen. Euer Anblick ist eine Schande!«
Zitternd vor Kälte und Scham, stand Gregorio da und blickte auf die
Fratze, die ihm von der Wand entgegen starrte.
»Warum habt Ihr das getan?«
Petrus da Silva, der wieder ins Gebet versunken war, schaute über
die Schulter.
»Redet Ihr mit mir?«
»Du Mistkerl«, flüsterte Gregorio. »Warum hast du mich verraten?«
Der Kanzler hob nur eine Braue. »Gib dem Kaiser, was des Kaisers
ist«, sagte er. »Und der Kirche, was der Kirche ist.«
Während er die Hände faltete, um sein Gebet fortzusetzen, legte
Gregorio sich die Kette um den Hals, mit der er an der Felswand angeschmiedet
war. Er wollte nicht mehr da sein, nicht mehr fühlen, nicht mehr denken â nicht
länger diese Schmach ertragen. Aber als er das kalte Eisen spürte, schwand sein
Mut. Während ihm die Kette aus den Händen rasselte, brach er in Tränen aus, und
schluchzend wie ein Kind sank er zu Boden.
Verborgen in der dunkelsten Ecke seiner Zelle, wo niemand ihn sehen
konnte, weder der Papst noch Petrus da Silva oder sein Vater, steckte er den
Daumen in den Mund und nuckelte daran, bis die Tränen endlich versiegten.
26
Mit dem schlafenden Nicchino auf dem Arm kniete Chiara vor dem
Altar, der dem Heiligen Nilus geweiht war, dem Gründer der Abtei von
Grottaferrata. Wie bei ihrem ersten Besuch des Klosters vor vielen, vielen
Jahren hatte sie auch diesmal die Hände in das Becken des Wandbrunnens
getaucht, der vor dem Kreuzgang zur Erfrischung der Reisenden angebracht war. Mögest du nicht nur deine Hände, sondern auch deine Seele von
allem Schmutz befreien ⦠Damals hatte sie an demselben Altar dafür
gebetet, ihrem gerade angetrauten Mann eine gute Ehefrau zu sein. Jetzt war sie
gekommen, um Gott für die Rettung ihres Kindes zu danken, das sie von diesem
Mann empfangen hatte.
Sie nahm eine Kerze und entzündete sie an dem Ãllicht auf dem Altar.
Zum Hochfest von Mariä Geburt, so hatte sie beschlossen, würde sie den Schleier
nehmen. Mit eigener Hand hatte sie bereits ihr langes, blondes Haar geschoren,
das sie stets so stolz getragen hatte, um sich dieser weltlichen Zierde zu
berauben. Sie war nun niemandes Frau mehr â sie würde von nun an allein die
Braut des Menschensohns sein. Mit ganzem Herzen bat sie Gott um Hilfe, dass sie
sich dieser Aufgabe würdig erwies. Denn sie wusste ja, dass ihr kein
Nonnenfleisch gegeben war.
Sie steckte die Kerze auf einen Leuchter. Während die Flamme ruhig
und stetig in die Höhe strebte wie ein Gebet, knarrte leise eine Tür.
Chiara blickte zum Hauptaltar. Im rötlichen Schein des Ewigen Lichts
sah sie einen untersetzten, rundlichen Mönch mit kreisrund geschorener Tonsur.
»Vater Bartolomeo!«
Sie stand auf, um ihn zu begrüÃen.
»Meine Tochter!«
Mit kleinen, federnden Schritten trat der Abt aus der Sakristei und
schlug vor dem Hauptaltar ein Kreuzzeichen. Bevor er die Hände wieder in den Ãrmeln
seiner Kutte verschwinden lieÃ, wie es seine Gewohnheit war, wandte er dem
Allerheiligsten den Rücken zu, um sich Chiara mit schräg geneigtem Kopf zu
nähern.
»Was für eine Freude, Euch und Euren Sohn wohlauf zu sehen«, sagte
er. »Ihr habt die Kerze für Nicchino angezündet, nicht wahr?«
Chiara nickte. »Es war doch ein Wunder, dass ich ihn lebend zurückbekommen
habe. Ohne Gottes Willen wäre das nicht möglich gewesen.«
»Da habt Ihr wohl Recht«, sagte Abt Bartolomeo. »Aber wir haben auch
gesehen, dass der Herr sich nicht um alles kümmern kann, sondern unsere Hilfe
braucht, damit seine Pläne gelingen. Ohne Eure und Eures Vaters Mitwirkung wäre
die Rettung nicht geglückt.« Nachdenklich strich er dem schlummernden Nicchino
über den Kopf. »Was meint Ihr, wollt Ihr nicht noch eine zweite Kerze anzünden?
Vielleicht gibt es ja noch einen Menschen, der Eurer und Gottes Hilfe gerade
bedarf. Vielleicht sogar mehr noch als Euer Kind.«
»Ich weià nicht, von wem Ihr sprecht, ehrwürdiger Vater.«
»Wisst Ihr das wirklich nicht?«
Sie schüttelte den
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