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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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widersprach
Bartolomeo. »Und doch war dieses Geld Teil des göttlichen Heilsplans. Darum
hütet Euch, vorschnell Schlüsse zu ziehen. Oft trügt der Schein, und vielleicht
sind die Dinge in Wirklichkeit ganz anders, als wir sie wahrnehmen. Und was uns
wie eine fürchterliche und verabscheuungswürdige Untat erscheint, ist
vielleicht nur ein verzweifelter Schrei nach Gott.«
    Â»Teofilo di Tusculo ist von Dämonen besessen!«
    Â»Wer will das wissen?« Ihr Beichtvater hob die Arme. »Ich weiß nur,
dass alles, was geschieht, mit Gottes Willen geschieht. Dabei folgt stets ein
Ding aus dem anderen, oft auf wundersame Weise, und manchmal sind es die
scheußlichsten Raupen, aus denen die schönsten Schmetterlinge schlüpfen.
Vielleicht wollte Gott uns durch das Beispiel Teofilo di Tusculos zeigen, dass
sogar sein irdischer Stellvertreter ein mit Schwächen und Fehlern behafteter
Mensch sein darf. Vielleicht hat er ihm die Freiheit zum Bösen gegeben, damit
wir begreifen, dass die Gnade Gottes größer ist als jede noch so große Sünde
und jedem Sünder verziehen werden kann. Auch ist es schließlich möglich, dass
Teofilos Berufung auf den Stuhl Petri einem viel höheren Zweck diente, der weit
über sein eigenes Schicksal hinaus weist.«
    Chiara war so verwirrt, dass sie kaum noch denken konnte.
    Â»Aber … was sollte ein solcher Zweck sein?«, fragte sie.
    Â»Denkt an die Raupe und den Schmetterling«, erwiderte ihr
Beichtvater.« Vielleicht war die Schreckensherrschaft der Tuskulaner nötig,
damit aus dem Chaos das Heil entstehen konnte. Papst Benedikts Pontifikat war
dann die Larve, aus der Papst Leo schlüpfen sollte, um das Gefüge von
weltlicher und himmlischer Macht neu zu ordnen und sowohl Rom als auch der
Christenheit endlich die Pax dei zu bringen, den
Gottesfrieden.« Abt Bartolomeo legte die Fingerspitzen zusammen und stieß einen
tiefen Seufzer aus. »Wie auch immer: Selbst wenn wir nicht imstande sind, das
Rätsel zu lösen, müssen wir daran glauben, dass alles, was Gott zulässt, seinen
Sinn hat. Credo, quia absurdum , hat der Heilige
Tertullian gesagt – ich glaube, weil es widersinnig ist …«
    Chiara holte tief Luft. Der Blick, der sie aus Bartolomeos himmelblauen
Augen traf, beschämte sie, ohne dass sie wusste, warum …
    Wusste sie es wirklich nicht?
    Doch, sie wusste den Grund. Tief in ihrem Innern spürte sie, dass
der Abt in irgendeinem Sinn, den sie nicht begriff, Recht mit seiner Rede haben
könnte. Wenn es ihr nur gelang, zu glauben, statt zu verstehen.
    Und dann?
    Während die Gedanken in ihr miteinander stritten, wachte Nicchino
auf ihrem Arm auf und schaute sie mit seinen Knopfaugen an.
    Der Anblick des Kindes gab ihr die Sicherheit zurück, die sie für
einen Moment verloren hatte.
    Den Blick fest auf Nicchino gerichtet, erwiderte sie: »Selbst wenn
ich verstehen würde, was auch Ihr nicht versteht – nein, ich will es nicht! Ihr mögt noch so klug und verständig reden,
ehrwürdiger Vater, doch nichts und niemand kann entschuldigen, was geschehen
ist. Die Wahrheit ist: Domenico musste sterben, weil dieser Unmensch …«
    Â»Weil dieser Unmensch was?«
    Â»Weil dieser Unmensch …«
    Chiara verstummte. Sie wusste, weshalb Bartolomeo sie unterbrochen
hatte. Und obwohl sich alles in ihr gegen die Einsicht sträubte – sie konnte
ihm nicht widersprechen. Nein, Teofilo war nicht alleine schuld an Domenicos
Tod, auch sie hatte ihren Teil dazu beigetragen.
    Â»Vergesst nicht die Worte des Herrn, Chiara di Sasso«, sagte ihr
Beichtvater. »›Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!‹«
    Noch während er sprach, fing Nicchino auf ihrem Arm an zu schreien.
Chiara drückte ihn an die Brust.
    Â»Ihr verlangt zu viel von mir, ehrwürdiger Vater«, flüsterte sie.
»Ich bin nur ein schwaches Weib, ich kann nicht tun, was Ihr von mir verlangt –
ich kann diesem Menschen nicht verzeihen. Auch wenn
ich selbst Mitschuld trage an Domenicos Tod … Teofilo di Tusculo hat mich so
oft getäuscht und betrogen.« Sie warf den Kopf in den Nacken und blickte Abt
Bartolomeo in die Augen. »Er ist ein Ungeheuer! Und wenn Gott gerecht ist, wird
er zur Hölle fahren!«
    27
    Der neue Tag füllte die Einsiedelei mit hellem Himmelslicht.
Mit dem Kreuzzeichen beschloss Teofilo sein Morgengebet, und

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