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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Familie! Wir dürfen uns keine Blöße geben. Die Herrschaft deines
Bruders steht auf dem Spiel!«
    Noch während sie sprach, breitete sich in der Kapelle Unruhe aus.
Ein junger Edelmann betrat das kleine Gotteshaus: Domenico.
    Gregorio wich einen Schritt zurück.
    Der Crescentier war in dem Getümmel gewesen, ganz dicht bei seinem
Vater …
    War dies der Moment der Wahrheit?
    Â»Ich bin gekommen, um mit Euch für den Toten zu beten«, sagte
Domenico.
    Â»Wenn Ihr reinen Gewissens seid«, erwiderte Ermilina, »sollt Ihr
willkommen sein.«
    Â»Seid versichert, dass ich den Tod Eures Gemahls zutiefst bedaure,
und wenn Ihr meine Hilfe braucht, den Mörder zu finden …«
    Gregorio brach der Schweiß aus. Galten ihm diese Worte? Während
Domenico vor dem Sarg seines Vaters niederkniete und ein stummes Gebet sprach,
überschlugen sich seine Gedanken.
    Â»Wo ist Seine Heiligkeit?«, fragte der Crescentier, nachdem er sich
erhoben hatte, und schaute sich um. »Ich möchte Seiner Heiligkeit gern meine
Ehrerbietung erweisen, als Zeichen der Verbundenheit unserer Familien.«
    Gregorio wusste nicht, wohin mit seinen Blicken. Auch seine Mutter
schien keine Antwort zu wissen.
    Zum Glück kam Petrus da Silva ihnen zu Hilfe. »Der Heilige Vater
nimmt an keiner Beisetzung teil. Weil sonst seine Kinder daran erinnert würden,
dass auch der Papst sterblich ist. Und das würde sie in tiefe Verzweiflung
stürzen.«
    9
    Â»Chiara – du?«
    Sie erschrak fast zu Tode, als sie Teofilo plötzlich zwischen den
Dornenzweigen sah.
    Â»Mein Gott, was haben sie mit dir gemacht?«
    Sein Gesicht war aufgequollen und voller geplatzter Wunden – wie der
heilige Stephanus nach der Steinigung. Doch sie hatte ihn gefunden! Er lebte!
Das war wichtiger als alles andere.
    Ohne auf die Dornen zu achten, bückte sie sich, um zu ihm in die
Höhle zu gelangen.
    Â»Dem Himmel sei Dank«, flüsterte sie, als sie endlich bei ihm war.
»Die Wassergeister haben uns geholfen …«
    Sie streckte den Arm nach ihm aus, um ihn zu berühren. Sie musste
ihn spüren, sich vergewissern, dass er es wirklich war! Teofilo und kein
Gespenst!
    Â»Die Wassergeister?«, fragte er.
    Â»Das kannst du nicht verstehen. Francesca und ich, wir waren noch
Kinder. Wir haben Brot in den See geworfen, und ich habe mir damals so sehr
gewünscht, dass du und ich …«
    Plötzlich fiel ihr ein, wer er war, ihre linke Schulter juckte, dann
ihre rechte, und sie ließ den Arm sinken.
    Â»Ihr … Ihr braucht dringend einen Wundarzt, Ewige Heiligkeit.«
    Â»Warum nennst du mich so?«, erwiderte er. »Ich hasse diesen Namen.«
    Â»Wie soll ich Euch dann nennen?«
    Â»Hast du vergessen, wie ich heiße? Eben hast du mich doch noch mit
meinem richtigen Namen gerufen.« Er versuchte zu lächeln. Aber mit den
Schwellungen im Gesicht wurde nur eine Grimasse daraus. »Woher hast du gewusst,
dass ich hier bin?«
    Â»Könnt Ihr … kannst du dir das nicht denken?«
    Chiara spürte, wie sie rot wurde, und senkte den Blick. Mitten in
der Nacht war sie aus dem Schlaf geschreckt. Sie hatte von Teofilo geträumt –
sie waren zusammen gewesen, in ihrem Versteck. Die Sonne hatte warm und hell
vom Himmel geschienen und bunte Schatten in der Hecke geworfen, während er ihr
Knie gestreichelt hatte, in lautloser Andacht, genauso wie früher, ihr Knie und
ihren Schenkel, und sie hatte nur den einen Wunsch, dass er sie berührte, nicht
nur an dem einen Schenkel, auch an dem anderen, und ein Sehnen in der Mitte
ihres Körpers erfasste sie, dass es kaum noch auszuhalten war … Im selben
Moment hatte sie gewusst, wo er sein musste. Es gab nur diesen einen Ort. Und
statt mit Domenico zur Tuskulanerburg zu fahren, um Conte Alberico zu Grabe zu
tragen, hatte sie sich im Morgengrauen auf den Weg gemacht, um Teofilo zu
suchen.
    Â»Doch«, sagte er, so leise, dass sie ihn kaum hörte.
    Als sie den Blick hob, sah sie, dass die Erinnerung ihn genauso
verlegen machte wie sie. Seine olivfarbene Haut war noch dunkler als sonst, und
er war nicht imstande, ihren Blick zu erwidern, sondern starrte auf die Spitzen
seiner Schuhe, auf die seine Strümpfe herabgerutscht waren. Dachte er dasselbe
wie sie? Seine rechte Augenbraue war aufgeplatzt, genauso wie seine Oberlippe.
Doch so geschunden sein Aussehen war: Unter all den Striemen und Schwellungen
und

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