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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Er
brauchte es wie die Luft zum Atmen … Um sich zu berauschen … Um zu vergessen …
Um nicht verrückt zu werden … Rot wie Blut rann der Wein an der weiß gekalkten
Wand herunter. Gregorio beeilte sich, ihm einen neuen Becher einzuschenken.
    Â»Ich brauche keinen Wein«, schnaubte Teofilo und riss ihm den Becher
aus der Hand. »Ich brauche Geld!«
    Ohne einmal abzusetzen, schüttete er den Wein in sich hinein. Warum
hatte sich alles gegen ihn verschworen? Fünf Jahre war es her, dass der Kaiser
ihn verraten und sein Leben zerstört hatte. Seitdem hatte er keinen glücklichen
Tag mehr erlebt, keinen einzigen verfluchten glücklichen Augenblick … Aber bei
Gott, der Verräter war bestraft worden – das Sumpffieber hatte Konrad übers
Meer und über Land verfolgt, und kaum war er in seiner Heimat angekommen, war
er jämmerlich krepiert.
    Â»Lass dir was einfallen, verdammt noch mal!«
    Gregorio hob ratlos die Arme. »Wir quetschen aus den Bauern und
Vasallen heraus, was nur herauszuquetschen geht.«
    Â»Und die Pfründe von Aquileja? Die haben wir doch erst neulich
unserem Besitz einverleibt. Was ist damit?«
    Â»Die Erträge reichen hinten und vorne nicht, um die Löcher zu
stopfen. Nur Tropfen auf dem heißen Stein.«
    Â»Irgendwelche Bischöfe, die wir wegen irgendwelcher Verbrechen
bestrafen können?«
    Â»Daran herrscht kein Mangel. Aber jeder Bischof, der es wagt, sich
über das Gesetz des Papstes zu erheben, hat eine eigene Armee. Und der Zustand
unseres Heeres …«
    Â»Zum Teufel noch mal! Wofür habe ich dich zum Patronus gemacht?
Damit du mir jeden Tag vorjammerst, dass wir am Ende sind?« Teofilo stieß einen
Rülpser aus. »Ja, mein Bester, dann bleibt wohl nichts anderes übrig, als dass
du mal wieder der Münze einen Besuch abstattest. Die einzig wahre Wandlung! Die
Wandlung von Kupfer in Silber, für die Schatztruhe des Papstes!«
    Gregorio schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie weit wir das noch
treiben können«, sagte er. »Wenn das rauskommt und wir auffliegen, ich weiß
nicht, was dann …«
    Â»Ich weiß nicht, ich weiß nicht, ich weiß nicht!«, äffte Teofilo ihn
nach. »Ist das deine ganze Weisheit? Dass du nichts weißt?« Gregorio duckte sich, als befürchte er einen weiteren Wurf mit dem
Becher, aber Teofilo lachte ihn nur aus. »Jetzt hör auf, dir in die Hose zu
scheißen. Du handelst im Auftrag des Heiligen Vaters! Wovor hast du also
Angst?« Er prostete Greogorio zu. »Und zieh nicht so ein dämliches Gesicht,
Bruderherz. Lass uns mal wieder in die Laterna Rossa gehen. Dann kommst du auf
andere Gedanken. Ich habe gehört, da gibt es seit Kurzem so eine kleine
Rothaarige …«
    2
    Bis zum Pantheon, dem düsteren Kuppelbau, in dem vor tausend
Jahren, als noch Jupiter die Welt regierte, die Römer ihre heidnischen Götter
versammelt hatten, standen die Menschen vor dem Armenhaus an, das Domenico in
der Gemeinde Santa Maria della Rotonda hatte bauen lassen: ausgemergelte, in
Lumpen gekleidete Gestalten, von denen die meisten seit Tagen nichts Richtiges
mehr zu essen bekommen hatten. Während sie mit ihren Holzlöffeln und Tellern
klapperten, starrten sie blassgesichtig auf den kupfernen Kessel, aus dem
Chiara und Anna den Haferbrei schöpften, die Augen in den eingefallenen
Gesichtern geweitet von Hunger und Angst, dass selbst dieser riesige Kessel zu
klein sein könnte, um alle Wartenden satt zu machen.
    Â»Wie sollen wir die vielen Mäuler nur stopfen?«, fragte Anna. »Es
werden jeden Tag mehr. Was meinst du – ob der Papst eigentlich weiß, was in
seiner Stadt passiert?«
    Chiara wischte sich mit dem Handrücken eine Strähne aus der Stirn,
die sich aus ihrer Frisur gelöst hatte, und versteckte sie wieder unter ihrem
Kopftuch. Obwohl sie das Armenhaus seit fast fünf Jahren betrieb, erfüllte sie
der Anblick der hungernden Menschen noch immer mit derselben Wut und Scham wie
am ersten Tag.
    Â»Natürlich weiß der Papst, was in seiner Stadt passiert!«, sagte sie
und klatschte eine Kelle Brei auf einen hingestreckten Holzteller. »Er braucht
ja nur aus dem Fenster zu schauen. Noch nie hat es in Rom so viele Bettler
gegeben.«
    Â»Vielleicht solltest du mal mit ihm reden«, erwiderte Anna.
»Vielleicht kannst du ihn ja …«
    Â»Ich?«, rief

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