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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Rom. Sie glauben, wenn sie hierherpilgern und der Papst ein
Fürsprachegebet spricht, können alle, die zur selben Zeit in der Stadt sind, so
viel sündigen, wie sie wollen, und dürfen trotzdem in den Himmel. Angeblich
gibt’s für ein solches Papstgebet vierzig Tage Ablass auf alle Sündenstrafen.
Aber nur, wenn man hier ein Kruzifix weihen lässt und mit nach Hause bringt.«
    Â»Vierzig Tage?«, wiederholte Chiara und schüttelte den Kopf. »Für
ein Gebet des Papstes und ein geweihtes Kreuz? Die sind verrückt, die Franken!«
    Â»Warum? Wenn man nach Santiago in Spanien pilgert, zum Grab des
Apostels Jakobus, gibt’s noch mehr Ablass. Ich habe gehört, da wird das
Fegefeuer gleich um hundert Tage verkürzt. Deshalb kommen Menschen aus der
ganzen Welt da hin, so viele, dass der Erzbischof dort extra eine Kirche für
die Pilger bauen will. Das behauptet jedenfalls Giulia!«
    Â»Giulia? Wer ist das?«
    Â»Die Witwe des Gewürzhändlers, an der Piazza in Agone, der letzten
Winter an der Schwindsucht gestorben ist. Obwohl die manchmal viel erzählt,
wenn der Tag lang ist.«
    Während Anna redete, schaute Chiara der Prozession hinterher, die
sich am Ende der Gasse verlor.
    Plötzlich hatte sie eine Idee. »Und alle kaufen Kruzifixe?«, fragte
sie.
    Â»Alle«, sagte Anna. »Ohne Ausnahme.«
    Chiara rückte ihr Kopftuch zurecht. »Ich glaube, jetzt weiß ich,
womit wir Geld verdienen können!«
    3
    Gregorio fühlte sich, als hätte er ein Fass Gerbsäure gesoffen,
so sauer stieß ihm der Magen auf, während er auf den Meister der vatikanischen
Münze einsprach. In der Nacht war ihm wieder einmal sein Vater erschienen,
diesmal im Gewand eines Bettelmönchs, und hatte ihm befohlen, sich dem Willen
seines Bruders zu widersetzen. Aber verflucht, der Alte hatte im Jenseits
leicht reden! Solange Teofilo im Besitz seines Geständnisses war, hatte er
keine andere Wahl, als sich dem Willen seines Bruders zu unterwerfen, und wenn
Teofilo ihm befahl, dass der Silbergehalt der Soldi abermals vermindert werden
sollte, um die Kasse des Papstes für das Thronjubiläum zu füllen, blieb ihm
nichts übrig, als dafür zu sorgen, dass es so geschah.
    Â Â»Kupfer und Silbergehalt der
Münzen müssen im Verhältnis zwölf zu zehn stehen«, erklärte der Meister.
»Darauf habe ich einen Eid geschworen.«
    Â»Den hast du schon öfter gebrochen, als du zählen kannst!«, erwiderte
Gregorio. »Einmal mehr oder weniger – was kommt es darauf an?«
    Â»Der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht! Wir haben das Verhältnis
beinahe halbiert. Wenn jemand die Münzen prüft, wird man mir die Hand
abhacken.«
    Â»Wäre dir der Kopf lieber?«
    Gregorio packte ihn an seinem Lederwams und schaute ihm in die
Augen. Doch der Meister zuckte nicht mit der Wimper.
    Â»Wollt Ihr mir drohen, Herr?«
    Â»Ich warne dich! Ich mache keine leeren Worte! Wenn du nicht spurst …«
    Â»Was dann? Ich werde dem Richter sagen, was Ihr befohlen habt …«
    Â»Um dich einen Kopf kürzer zu machen, brauche ich keinen Richter!
Ich bin der Kommandant des Stadtregiments. Ein Wort von mir, und meine Leute
statten dir einen Besuch ab. Und dann …« Statt den Satz zu Ende zu sprechen,
machte Gregorio eine Schnittbewegung vor seiner Gurgel.
    Endlich begann der Blick des sturen Kerls zu flattern.
    Â»Na, hast du es dir anders überlegt?«
    Der Meister nickte. »Ist gut, Herr. Ich werde tun, was Ihr sagt.«
    Â»Aber wehe, du versuchst, mich zu verarschen.«
    Â»Nein, Herr. Ihr könnt auf mich zählen.«
    Â»Na endlich!«
    Gregorio ließ ihn los. Diesmal hatte es noch mal geklappt, aber wie
oft noch?
    Er wandte sich ab, um die Werkstatt zu verlassen. Doch er war noch
nicht bei der Tür, da wurden hinter ihm Stimmen laut.
    Â»Ohne mich! Und wenn der Papst selber den Befehl gibt!«
    Auf dem Absatz fuhr Gregorio herum. Am Prägestock hatte sich ein
Arbeiter vor dem Meister aufgebaut, ein gedrungener, vierschrötiger Mann mit
kahlem Schädel und eckigem Gesicht – die Widerspenstigkeit in Person.
    In ein paar Sätzen war Gregorio bei ihm.
    Â»Du wagst es?«, fuhr er ihn an und zückte sein Messer. »Entweder, du
tust was man dir sagt, oder …«
    Â»Oder was?«, erwiderte der Kerl, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Statt einer Antwort stach Gregorio

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