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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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sind auf
dem Wochenmarkt.«
    Domenico dachte kurz nach. »Könnt ihr nasse Decken besorgen!«,
fragte er.
    Â»Nein. Alle Decken die wir haben, sind im Stall.«
    Â»Dann nehmt die Reste eurer Kleider. Los, beeilt euch!«
    Er lief zur Tränke und sprang in das Wasser. Während die beiden
Bauersleute sich auszogen, eilte er zurück zum Haus. Drinnen war es so heiß,
dass er kaum Luft bekam. Vor lauter Rauch konnte er zuerst gar nichts erkennen.
Hustend und tastend stolperte er über irgendwelche Gegenstände, bis er
plötzlich eine leise wimmernde Stimme hörte.
    Â»Hier … Hier bin ich …«
    Domenico drehte sich um. Unter einem herabgestürzten Balken entdeckte
er den Jungen. Er lag mit Armen und Beinen strampelnd am Boden, der Balken saß
ihm im Genick, sodass er weder vor noch zurück konnte. Zum Glück hatten seine
Kleider noch kein Feuer gefangen. Aber die Flammen kamen immer näher.
    Â»Warte! Ich hole dich raus!«
    Â»Schnell … Bitte … Ich kann nicht mehr …«
    Vor Angst und Schmerz sprangen dem Jungen fast die Augen aus den
Höhlen. Domenico warf sein Schwert fort, und mit beiden Händen versuchte er,
den Balken in die Höhe zu stemmen. Doch vergebens. Die Last, die auf dem Balken
ruhte, war zu schwer.
    Â»Hier! Unsere Kleider!«
    Domenico blickte über die Schulter. Der Mann und die Frau waren bis
auf ein paar Lumpen nackt.
    Â»Wirf die nassen Sachen über ihn«, rief er der Frau zu. »Und du«,
forderte er den Mann auf, »hilf mir, den Balken anzuheben.«
    Zusammen packten sie an.
    Â»Hau – ruck!«
    Endlich! Der Balken bewegte sich, und die Schulter des Jungen kam
einen winzigen Spalt frei.
    Â»Versuch, ihn rauszuziehen!«
    Während Domenico und der Mann den Balken noch weiter in die Höhe
stemmten, fasste die Frau nach den Händen ihres Sohnes.
    Â»Warte! Gleich haben wir’s geschafft!«
    Der Junge machte sich ganz schmal, wie eine Katze, und während seine
Mutter an seinen Händen zog, stemmte er sich mit den Füßen irgendwo ab und
rückte Handbreit für Handbreit unter dem Balken vor.
    Â»Noch einmal! Hau – ruck!«
    Der Oberkörper des Jungen war schon ganz frei, da hörte Domenico
plötzlich ein lautes Knirschen und Knarren über sich.
    Â»Das Dach!«, schrie die Frau. »Das Dach stürzt ein!«
    Domenico schaute in die Höhe. Zwischen dem Rauch und den Flammen sah
er durch einen gezackten Riss hindurch den weiten blauten Himmel.
    5
    Â»Wo bleibt nur der Herr?«, fragte Anna. »Den Leuten geht bald
die Arbeit aus.«
    Â»Ich weiß auch nicht«, sagte Chiara. »Eigentlich müsste er längst da
sein. Ich mache mir langsam Sorgen.«
    Â»Keine Angst«, erwiderte Anna, »Dem Herrn ist bestimmt nichts
passiert. Höchstens ein Achsenbruch. Und für heute haben wir ja noch genug
Holz.«
    Das ganze Gebäude summte vor Betriebsamkeit. Seit Chiara auf die
Idee gekommen war, dass ihre Schützlinge, statt um Essen zu betteln, sich ihr
Essen selber verdienen konnten, indem sie Andachtsgegenstände anfertigten, um
diese vor den großen Wallfahrtskirchen an die Pilger zu verkaufen, hatte sich
das Armenhaus in eine der größten Werkstätten von ganz Rom verwandelt, wo
Dutzende von Männern und Frauen sägten und schnitzten, hämmerten und malten,
von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. Es gab so viele Menschen in der
Stadt, die wegen der Hungersnot keine Arbeit fanden und hier unterkamen:
Tuchmacher und Riemenschneider, Schmiede und Färberinnen, Kürschner und Kerzenzieherinnen,
sodass sie nicht nur Kruzifixe herstellen konnten, sondern alle möglichen
Devotionalien – Weihebilder, Medaillons und Heiligenfiguren. Antonio, Annas
Mann, der seine Arbeit in der Münze aufgegeben hatte, hatte im Erdgeschoss
sogar eine kleine Gießerei eingerichtet, in der unter seiner Aufsicht eiserne
Kruzifixe entstanden, direkt neben dem großen Kessel, in dem seine Frau gerade
einen Eintopf aus Hammelfleisch und Gemüse kochte.
    Â»Sollen die mit auf den Wagen?«, fragte Giulia. Die rundliche Witwe
des Gewürzhändlers von der Piazza in Agone trug einen Korb mit handtellergroßen
Marienmedaillons auf der Hüfte.
    Â»Warte, ich fasse mit an.«
    Chiara nahm den zweiten Henkel des Korbs, und zusammen brachten sie
die Ware zu dem Eselskarren, der vor dem Haus zur Abfahrt bereitstand. Vor der
Tür

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