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Der Kindersammler

Titel: Der Kindersammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Fenster und der Balkontür waren heruntergelassen und der 50er fahre Kronleuchter in der Mitte des Zimmers gab ein kaltes, milchiges Licht. Carla ging zum Fenster, zog den Rollladen hoch und öffnete das Fenster einen Spalt breit. Dann knipste sie die Nachttischlampe auf dem Nachttisch ihres Vaters an und schaltete den Kronleuchter aus.
    »Kannst du es nicht abwarten?«, krächzte ihr Vater bei geschlossenen Augen. »Willst du mich umbringen, oder warum reißt du das Fenster auf? Soll ich mir auch noch eine Lungenentzündung holen?«
    Ohne ein Wort zu sagen stand Carla auf und schloss das Fenster wieder.
    »Ein bisschen frische Luft würde dir ganz gut tun.«
    Der Vater öffnete die Augen und blinzelte. »Was ist das für eine finstere Beleuchtung? Bin ich schon tot? Kommen gleich die Nachbarn mit den Kerzen? Oder haben wir kein Geld mehr für die Stromrechnung?«
    Carla, die sich gerade auf den Bettrand ihres Vaters gesetzt hatte, seufzte, stand auf und schaltete die Deckenbeleuchtung wieder an. »Na also«, grunzte ihr Vater und schloss die Augen wieder. Carla atmete tief durch. »Papa, ich wollte nur tschüss sagen, in ein paar Stunden geht mein Zug. Ich fahre wieder nach Italien.« Durch Eduard Hartmanns Körper ging ein Ruck, er rutschte im Bett mindestens zehn Zentimeter höher und starrte Carla an. »Du bist doch gerade mal drei Tage hier!«
    »Drei Wochen, Papa! Nicht drei Tage!« Sie streichelte seine Wange. »Mach dir keine Sorgen! Mama und Susi passen gut auf dich auf, und im Herbst bin ich wieder hier!«
    »Das kannst du dir sparen. Im Herbst bin ich tot. Wahrscheinlich bin ich schon nächste Woche tot, aber das ist dir ja egal. Es ist dir zu viel, noch ein paar Tage abzuwarten, bis ich endlich verreckt bin wie ein Stück Vieh, es ist dir ja wichtiger, in dieses miese, heruntergekommene Italien zu fahren, zu diesen ganzen Kanaken und zu diesem dreckigen Habenichts und Herumtreiber ... wie heißt er doch gleich ...?«
    Carla antwortete nicht.
    »Na gut, dann fahr! Sieh zu, dass du wegkommst, ich bin dir egal, deine Eltern waren dir ja immer egal! Du warst ein lausiges Kind, jetzt ist eine lausige Erwachsene aus dir geworden!« »Ich habe dich drei Wochen lang gepflegt, Papa. Tag und Nacht! Ich komme seit drei Jahren regelmäßig, um dich zu pflegen!» In Carlas Augen traten Tränen, und sie nahm seine Hand, obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie nicht sich und Alfred dadurch verriet.
    »So?«, murmelte Eduard und gähnte. »Ich bin müde, ich muss jetzt schlafen. Morgen wird ein anstrengender Tag.«
    Ihr Vater begann leise zu schnarchen, um zu demonstrieren, dass die Diskussion für ihn beendet war. Kein Adieu, kein Händedruck, kein Blick zum Abschied, gar nichts.
    Carla beugte sich zu ihm herab und küsste ihn auf die Stirn. Ihr Vater reagierte nicht.
    Dann verließ sie leise das Zimmer.
    Vor der Tür wartete ihre Schwester Susi. »Was hat er gesagt?«
    »Nichts. Er hat gestänkert. Wie immer. Du weißt ja, wie er ist. Und Alfred ist ihm ein Dorn im Auge.«
    Susi nickte. »Hast du noch Zeit für einen klein en Schluck Sekt?« Carla sah auf die Uhr, doch dann folgte sie ihr in die Küche. Susi stellte zwei Gläser Sekt auf den Küchentisch.
    »Bleib hier«, sagte sie. »Du kannst bei mir wohnen, Bernd hat damit kein Problem. Und du musst dich auch nicht jeden Tag um Papa kümmern, keine Angst. Wir werden uns abwechseln außerdem werde ich jetzt zweimal täglich einen Pflegedienst organisieren, das erleichtert die Sache.«
    »Er wird jeden Pflegedienst vergraulen, weil niemand sein Gerede auf die Dauer erträgt.«
    »Das werden wir ja noch sehen.« Carla hatte Susi immer darum beneidet, wie energisch, wie entschlossen sie war. Sie ließ sich von nichts und niemandem einschüchtern und ging für ihre Überzeugung durchs Feuer. Sie war eine Gerechtigkeitsfanatikerin und machte sich damit das Leben schwer, weil sie überall aneckte, als äußerst schwierig galt und ständig irgendeinen Prozess laufen hatte. Sie war alles andere als harmoniesüchtig und hatte durch ihre Art mehr Feinde als Freunde. Aber Carla beneidete sie wegen ihrer Stärke, sie selbst war das genaue Gegenteil.
    »Bleib hier!«, sagte Susi. »Verdammt noch mal, was hast du da verloren? Du hockst in der Einsamkeit, vollkommen isoliert, mit einem Mann, der dich nicht liebt ...«
    »Er liebt mich!« Wenn sie an eine einzige Sache auf dieser Weh glaubte, dann daran, dass Alfred sie wirklich liebte.
    »Aber er schläft nicht mit dir!«
    Carla

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