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Der Kindersammler

Titel: Der Kindersammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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besorgte, um nachzufüllen..., und dann hatte sie sich ihren ganzen Kummer von der Seele geredet, während er ihr ein Kleenex nach dem anderen reichte. Sie erzählte von ihrem Freund Antonio, der gerade an diesem Morgen seine Zahnbürste und seine CDs aus ihrer Wohnung geholt hatte. Seit drei Monaten hatte er ein Verhältnis mit einer Irina, die er im Gaff von Gianna Nannini kennen gelernt hatte, als sie ein Eis aß, das ein normaler Mensch in dieser Größe eigentlich nicht essen konnte, ohne sich zu übergeben. Von da an hatten sie jeden Tag ein Eis bei Gianna Nannini gegessen, bevor sie sich in Irinas Dachkammer in die Arme fielen.
    Das alles und noch viel mehr erzählte Monica, und es interessierte ihn nicht die Bohne. Während er inständig hoffte, sie möge endlich die Tränenströme bremsen und aufhören zu reden, tröstete er sie und hörte zu und nickte und stimmte ihr zu, und schließlich sagte sie ihm, er wäre ein netter Mensch. Ein echter Freund, wenn man mal einen bräuchte.
    Monica trauerte eine Woche. Dann lernte sie Geraldo kennen, kam strahlend ins Büro und meinte, ihr täte jede Träne Leid, die sie um diesen stronzo, diesen Antonio, vergossen hätte. Kai nickte auch dazu, und Monica ging wieder dazu über ihn zu siezen, was sie während ihres Kummers eingestellt oder vergessen hatte.
    Sein Freund Bodo, den er aus seiner Schulzeit kannte und zu dem Kai noch losen Kontakt hatte, der sich darin erschöpfte, alle halbe Jahre mal gemeinsam einen über den Durst zu trinken, erschien damals in Köln gleich mit drei Koffern, zwei Taschen und Wellensittich Rambo unangemeldet vor seiner Tür. Leichenblass, übernächtigt und ohne Geld. Bodo hatte zu dieser Zeit noch zu Hause gewohnt. Jetzt war seine Mutter gestorben, und er hatte das Gefühl, jeglichen Halt im Leben verloren zu haben. Kai schien ihm der geeignete Ersatz zu sein. Allein, keine Kinder, große Wohnung, ideal. Bodo wohnte vier Wochen bei Kai. Abend für Abend blieb der Fernseher aus, Bodo leerte eine Flasche Whisky nach der andern und erzählte sein Leben, manche Episoden mehrmals. Bis ihn Kai schließlich vor die Tür setzte. Mit Sack und Pack und Wellensittich Rambo. Hätte er dies damals nicht getan — Bodo würde wohl heute noch bei ihm wohnen.
    Und jetzt Allora. Allora rührte ihn. Sie war ihm nicht gleichgültig wie Monica, und man konnte nicht mit ihr umspringen wie mit Bodo. Allora hatten eine Elfe, ein Troll oder ein außerirdisches Pärchen auf diese Welt gespuckt. Allora war entweder ein Geschenk oder ein Schicksalsschlag. Auf alle Fälle war sie ein Problem.
    Kurz vor drei stand sie plötzlich im Zimmer und roch wie sein Pullover, wenn er ihn frisch gewaschen hatte. Sie trug seinen blaugrün gestreiften Bademantel und lächelte.
    »Was hast du mit deinem Zahn gemacht?«, fragte er.
    »Allora«, sagte sie und zuckte die Achseln.
    Kai breitete ein Laken auf der Couch aus und holte ein Kopfkissen und eine Decke. In seinem Kopf drehte sich alles. Der Whisky hatte ihm den Rest gegeben. Er musste jetzt unbedingt schlafen. Allora beobachtete alles, was er tat, mit absolutem Unverständnis, sagte aber keinen Ton.
    Als er fertig war, ließ sie den Bademantel fallen und verkroch sich unter der Decke.
    »Gute Nacht, ich weck dich zum Frühstück.« Damit verließ er das Zimmer.
    »Allora«, murmelte Allora, und es hörte sich an wie »danke«.
    Es war wie ein Strudel, ein Sog, der ihn aus der dunklen Tiefe des Schlafes nach oben zog, während seine Träume durcheinander wirbelten und es in seinem Hirn kein Oben, kein Unten, kein Rechts und kein Links mehr gab. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass er wirklich in seinem Bett lag, dass links die Tür und rechts das Fenster war und dass ein kleiner, magerer Arm sich um ihn geschlungen hatte und eine ebenso kleine, magere Hand seinen Bauch kraulte. Sie war warm und weich, drückte sich fest an ihn und pustete ihren Atem wie einen sanften Sommerwind in seinen Nacken. Als er ganz wach war und allmählich begriff, dass sich Alloras nackter Körper an seinen schmiegte, betete er um Kraft. »0 nein, bitte nicht, das schaff ich nicht, da komm ich nicht gegen an, o mein Gott, was soll das, was machst du mit mir ...«
    Aber es war nicht Gott, es war Allora, deren Hand über seinen Körper wanderte, bis er es nicht mehr aushielt und sich zu ihr umdrehte. Seine Lippen fanden ihr Gesicht, und seine Hand machte sich ebenso auf die Suche. Als er einen weichen Flaum spürte und seine Finger langsam zu

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