Der Kindersammler
Haus herumzugehen und sich ihm nahe zu fühlen. Sie war wütend auf die Frau und kam immer seltener, zumal der Mann sich nicht mehr im Bach wusch, seit er ein Badezimmer gebaut hatte.
So vergingen einige Monate. Der Bus war verschwunden, und es kamen immer mehr Möbel und Sachen ins Haus. Einoder zweimal im Monat machte Allora einen Spaziergang nach Valle Coronata, hockte ein paar Stunden in ihrem Versteck und beobachtete die beiden. Der Mann saß viel vor der Tür und las, während die Frau ständig mit ihren Pflanzen beschäftigt war. Das gesamte Umfeld des Hauses hatte sie bereits gartenmäßig angelegt, hatte Rosmarin, Salbei und Lavendel an der frisch gemauerten Hauswand gepflanzt, Königskerzen gesetzt und Margeriten wuchern lassen. Auf der toscanischen Treppe zur oberen Terrasse stand auf jeder Stufe ein Topf mit verschiedenfarbigen Geranien, auf den Fensterbänken blühten Veilchen, in Terracottatöpfen wuchsen Basilikum, Petersilie und Schnittlauch. Vor dem Abhang zum Bach hatte sie als natürliche Grenze Sonnenblumen, Rosen und Chrysanthemen gesetzt — Valle Coronata war ein einziges Blumenmeer.
Im darauf folgenden Frühjahr, als Allora kam, um die blühenden Tulpen und Hyazinthen im Tal zu sehen, war die Frau nicht da. Allora wartete. Aber sie kam nicht, auch nicht am Abend, als es dunkel und kalt wurde.
Am nächsten und am übernächsten Tag war Allora wieder da, aber die Frau blieb verschwunden. Allora jubelte innerlich. Irgendwann würde sie wieder mal ins Haus gehen und sich auf die Matratze legen, auf der er schlief.
Sie bemerkte, dass der Mann den Bachlauf verändert hatte. Der kleine Teich, in dem sich der Wasserfall gesammelt hatte, bevor er — aufgehalten durch einen Felsvorsprung — langsam weiterfloss, war trockengefallen. Der schöne Teich mit seinen wilden Uferpflanzen, den mit Moos bewachsenen Steinen und dem morastigen Gras an den Stellen, die immer wieder überschwemmt wurden, sah tot, verwahrlost und trostlos aus. Allora schüttelte sich vor Abscheu und bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper. Neben dem leeren Teich lagen Zementsäcke, die mit Plastikfolie bedeckt waren, ein Sandhaufen war aufgeschüttet, und ein Betonmischer wartete auf seinen Einsatz.
Sie verstand überhaupt nicht, was das alles bedeuten sollte, sie war einfach nur traurig.
Es war kurz vor Ostern, und sie hatte in San Vincenti viel zu tun. Am Gründonnerstag musste sie die Kirche putzen: die Heiligenfiguren abstauben, das Altartuch austauschen, die Lampenschalen auswaschen, die Bänke wachsen, die Beichtstühle aussaugen und den Boden fegen und wischen. Den Blumenschmuck musste sie jeden Tag verändern. Am Gründonnerstag standen nur Gräser im Altarraum, am Karfreitag wurden alle Blumen entfernt, und für die Osternacht und das Hochamt am Sonntag fuhr Fiamma sogar höchstpersönlich zum Markt, um Blumen aller Sorten in Hülle und Fülle einzukaufen.
Allora räumte außerdem die Sakristei auf, sortierte die Priestergewänder aus, die während des Winters von Motten zerfressen worden waren, und als sie eine Flasche Messwein fand, trank sie sie aus. Anschließend legte sie sich auf eine Kirchenbank und schlief zwei Stunden, bis sie von Fiamma geweckt und geohrfeigt wurde.
Auch die kleine Piazza vor der Kirche musste sauber gefegt und die Zwischenräume der Pflastersteine von Unkraut befreit werden.
Nicht nur in der Kirche, auch im Haus des Bürgermeisters wurde Großputz gemacht Fiamma scheuchte Allora wie ein Feldwebel von morgens bis abends von einer Arbeit zur nächsten. Allora hatte keine Chance, zu verschwinden und einen Spaziergang ins Tal zu machen. Immerhin brauchte sie von San Vincenti nach Valle Coronata zweieinhalb Stunden, auch wenn sie viel rannte und mehr hüpfte und sprang als ging.
In der Messe der Osternacht stand sie in der klein en Kirche von San Vincenti ganz still hinter einer Säule und war wie hypnotisiert von dem Licht ihrer Osterkerze, die sie in den Händen hielt.
»Lieber Gott«, betete sie, »beschütze den Pfarrer und den Bürgermeister, den Geometer, den Baustoffhändler und den Engel im Tal. Mach, dass sie alle hundert Jahre alt werden, und hilf, dass nichts passiert. Nicht in San Vincenti und auch nicht drum herum. Mach, dass kein Feuer und keine Sintflut und kein Erdbeben kommen, und pass auf, dass kein Stern vom Himmel fällt.« Sich selbst und Fiamma schloss sie in ihre Gebete nicht ein.
Als sie damit fertig war, versuchte sie, einen Blick des Pfarrers zu erhaschen, aber
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