Der Kindersammler
aber so unendlich willig. Ein lieber Junge, einer, der es wahrscheinlich jedem recht machen will und immer bem ü ht ist, seinen Eltern keinen Kummer zu bereiten. Aber diesmal w ü rde das nicht zu vermeiden sein. Dabei waren Alfred die Eltern des Jungen v ö llig egal Er wunderte sich nur, wie einfach alles war. Der Kleine stand da. Still und ruhig. Schob die H ä nde in die Hosentaschen und versuchte, durch die dichte Hecke zu gucken. Er wartete geduldig, weil er nicht die geringste Ahnung hatte, was auf ihn zukam. Er zappelte nicht, schrie nicht, er k ä mpfte nicht. Noch nicht. Aber was f ü r ein Unterschied zu Daniel. Der hatte ü berhaupt nicht mit sich reden lassen, und Alfred hatte ihn bereits im Wald mit einer ä ther ä hnlichen Fl ü ssigkeit bet ä uben m ü ssen, damit er ihn ü berhaupt wegschaffen konnte.
Alfred bekam langsam Zust ä nde, weil er nichts fand, aber dann sah er den eisernen Engel, der neben einer ebenfalls eisernen kleinen Gartenlaterne stand. Der Engel war etwa vierzig Zentimeter gro ß und abgrundtief h ä sslich. Er war vollkommen schwarz, hatte die Gesichtsz ü ge eines mongoloiden Babys, den Oberk ö rper eines Jungen, aber ausladende H ü ften wie eine Frau. Sein winziger Penis war nur angedeutet und verschwand fast v ö llig zwischen den ü ppigen
Schenkeln. Alfred sch ü ttelte sich innerlich vor so viel Geschmacklosigkeit, aber f ü r seine Zwecke war der schwere Engel, der zum Gl ü ck nicht im Boden verankert war, wie geschaffen.
Er nahm den Engel und schlug mit ihm das einzige Fenster ein, das vom Weg aus nicht einsehbar war. Dann griff er hinein, drehte den Riegel und ö ffnete es. » Komm her « , sagte er zu Benjamin, » ich heb dich rein! »
Als Benjamin im Inneren der Laube verschwunden war, kletterte er so schnell er konnte hinterher.
Die Laube bestand aus einem einzigen Raum. Unter dem Fenster, das auf den Weg hinausging, stand ein breites Bett, dar ü ber ausgebreitet eine braune Lammfelldecke. In der Mitte des kleinen Zimmers, unmittelbar vor der Eingangst ü r, stand ein Tisch mit zwei kleinen Sesseln, alles aus Rattan und wenig sorgf ä ltig mit wei ß er Farbe angestrichen. Offensichtlich sa ß en die Inhaber der
Laube im Sommer gern vor der weit offen stehenden T ü r. Im hinteren Teil des Raumes befand sich eine K ü chenzeile mit einer Weinen Theke und zwei Barhockern. Au ß erdem gab es einen elektrischen Kochherd mit zwei Hatten, einen H ä ngeschrank und ein Regal unter der Theke. Als Sp ü le dienten zwei Plastiksch ü sseln, die sauber abgewaschen ineinander standen. In der gesamten Laube roch es feucht und modrig, so wie es riecht, wenn ein Raum wochenlang fest verschlossen ist und nicht gel ü ftet wird.
» Wo sind denn die Meerschweinchen? « , fragte Benjamin sofort.
» Es gibt keine Meerschweinchen « , erwiderte Alfred und vermied den Blick des Jungen, der ihn jetzt voller Angst anstarrte.
In diesem Moment begriff Benjamin, dass er doch in die Falle gegangen war. Das also war der b ö se Mann, von dem seine Eltern gesprochen hatten. Das konnte nicht sein, das war nur so ein schlimmer Traum. Wach auf, schrie er innerlich, wach endlich auf! Er sehnte sich danach, in das warme Bett zu seinen Eltern zu kriechen, sich an Papas R ü cken zu kuscheln und zu wissen, dass ihm nichts, aber auch gar nichts passieren konnte. Schreckliche Tr ä ume kamen immer wieder, aber sie waren ja nicht die Wirklichkeit, sie waren nur Albtr ä ume.
Doch Benjamin wachte nicht auf. Dies hier war die Realit ä t. Er war gefangen. Es war ihm wahrhaftig passiert. Das, wovor ihn seine Eltern immer gewarnt hatten. Benjamin wollte und konnte es einfach nicht glauben, dass er verloren hatte. Dass es keinen Ausweg mehr gab.
» Leg dich aufs Bett « , sagte Alfred.
Benjamin war wie versteinert und reagierte nicht.
Alfreds Ton wurde sch ä rfer. » Wenn ich sage, du sollst dich aufs Bett legen, dann legst du dich aufs Bett! Ist das klar? «
Benjamin nickte zaghaft, ging langsam zum Bett und legte sich hin, als warte er auf den Arzt, der gleich kommen und ihm eine Spritze geben w ü rde.
Alfred ging zu einer kleinen Kommode, die dem Bett gegen ü ber an der Wand stand, und fand auf Anhieb, was er suchte: K ü chenhandt ü cher, Handt ü cher, Tischdecken. » Pass auf « , sagte er, w ä hrend er aus einer K ü chenschublade eine Schere nahm, eine Tischdecke einschnitt und in lange Streifen riss, » es ist ganz einfach. Du schreist nicht, du versuchst nicht abzuhauen, und
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