Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Kindersammler

Titel: Der Kindersammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
Vom Netzwerk:
Bettina war da? fast unangenehm, aber Enrico machte den Eindruck, es wirklich gerne zu tun, sodass sie das Angebot annahm.
    Auf der Rückfahrt sagte Enrico: »Ich würde mich freuen, wenn ihr mich noch einmal besucht, bevor ihr wieder nach Hause fahrt. Der Nachmittag mit euch hat mir sehr gefallen!« Er sah durch den Rückspiegel Jan auf der Rückbank an und zwinkerte ihm zu. Jan grinste. Edda war eingeschlafen.
    »Wir kommen gern noch mal vorbei«, meinte Bettina. »Ich werde mit Mareike sprechen.«
    »Also, wie gesagt, ihr stört nie.«
    Im Laufe des Nachmittags hatten sie wie selbstverständlich angefangen, sich zu duzen. Bettina hatte sowieso nicht das Gefühl, einem Fremden, sondern einem langjährigen Freund gegenüberzusitzen.
    Enrico fuhr nicht direkt bis zum Haus, sondern hielt am Abzweig nach La Pecora.
    »Seid mir nicht böse, dass ich euch nicht direkt bis vor die Tür bringe, aber ich habe Eleonore lange nicht gesehen. Sie ist ein lieber Mensch, ich mag sie sehr, aber wenn sie mich entdeckt, muss ich den ganzen Abend bleiben, und das ist mir jetzt zu viel. Ich habe heute Abend noch zu lesen.«
    »Kein Problem«, meinte Bettina. »Das versteh ich doch, wir finden es ganz toll, dass du uns überhaupt gebracht hast. Danke, tausend Dank. Hoffentlich können wir uns irgendwann mal revanchieren.«
    »Bestimmt«, sagte Enrico und lächelte. Dann drehte er um und brauste davon.
    Am Abend saßen Bettina und Mareike noch lange auf der Terrasse. Mareike hatte ihr Bein hochgelegt und war ungewöhnlich schweigsam. Die Windlichter flackerten im aufkommenden Wind. Bettina erzählte von Enrico. Mareike hatte noch nie erlebt, dass Bettina von einem Mann derart angetan war.
    »Du musst ihn unbedingt kennen lernen«, schwärmte Bettina. »Er ist ein außergewöhnlich spannender Mann, und ich bin sicher, er wird dir gefallen. Ist es nicht wunderbar, dass man hier in der Einsamkeit der Berge derart interessanten Menschen begegnen kann?«
    86
    Es war noch hell, als Anne und Harald nach Valle Coronata zurückkehrten. Sie hatten mehrere Baumärkte abgeklappert, und schließlich kaufte Harald zwei Deckel, von denen er meinte, dass sie passen könnten.
    »Obwohl dieses System natürlich grundsätzlich kalter Kaffee ist«, meinte er, als er die Deckel im Auto auf den Rücksitz warf. »Wir können ja nicht jedes Jahr die Deckel kaputtschlagen, nur um den Pool sauber zu machen. Der große Meister der Baukunst, der dieses Haus gebaut hat, denkt ziemlich eingleisig und kurzfristig. Hauptsache, der Pool ist dicht und fertig. Was in einem Jahr passiert, interessiert ihn nicht.«
    »Du hast dich irgendwie auf ihn eingeschossen.«
    »Nun, ich kenne ihn nicht. Vielleicht ist er ganz nett, kann ja sein, aber wenn ich ihn nur nach seinen Werken beurteile, bin ich nicht so begeistert.«
    Anne und Harald hatten dann noch in Bucine eine Pizza gegessen, die einen Durchmesser von fünfzig Zentimetern hatte, hauchdünn und äußerst sparsam belegt war, aber dennoch hervorragend schmeckte.
    »Jetzt freue ich mich auf ein kaltes Bier«, sagte Harald, als sie den Weg ins Tal hinunterrollten. »Hast du eins im Kühlschrank?«
    Anne schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, ich habe vergessen, dir welches Au besorgen.«
    »Erzähl mir von diesem Kai«, sagte Harald plötzlich völlig unvermittelt. »Was ist er für ein Typ?«
    »Jetzt nicht«, sagte Anne, »bitte nicht. Er ist ein prima Kerl. Locker und fröhlich und ich glaube, ein guter Kumpel. Aber ich will jetzt nicht darüber reden.«
    Anne stieg aus dem Wagen und ging geradewegs zum Pool. Harald nahm Annes Handtasche, die Deckel und das Gemüse, das sie unterwegs gekauft hatten, und folgte ihr langsam.
    Anne stand am Rand des Pools und starrte unbeweglich in die Tiefe. Bewegungslos, wie hypnotisiert.
    »Anne«, rief Harald. »Was ist los?« Aber sie reagierte nicht. Er rief noch ein paarmal, jedes Mal lauter, aber sie sah noch nicht einmal auf. Sie stand wie versteinert, als habe sie der Schlag getroffen.
    Harald ließ alles, was er in der Hand hatte, fallen und rannte zu ihr.
    Er legte den Arm um Annes Schulter, als er in den Pool sah. Der Betonboden war jetzt getrocknet und hatte eine hellgraue Farbe. Darauf war die Zeichnung eines Jungen in Lebensgröße. Aus unterschiedlichen Steinresten, Blütenstaub und Erde war ein Bild entstanden, das gut zu erkennen war. Der Junge trug kurze Hosen und ein T-Shirt und hatte blonde Haare. Viel gelber Blütenstaub war um sein Gesicht aufgetragen worden, um dies

Weitere Kostenlose Bücher