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Der Kindersammler

Titel: Der Kindersammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Gespenster der Nacht aus ihren Gedanken. Es war alles wunderbar. In ihrer Familie waren alle gesund und munter, sie machten Urlaub an diesem wunderschönen Ort, und ihr Fuß würde auch wieder werden. Zur Not war sie eben mal eine Weile krankgeschrieben. So etwas war in ihrer langjährigen Dienstzeit noch nie vorgekommen, aber es würde ihr sicher mal gut tun.
    Um acht stand Bettina auf und machte Frühstück.
    »Ich muss noch mal ins Krankenhaus«, sagte Mareike. »Irgendetwas stimmt nicht mit dem Fuß, die müssen mein Bein unbedingt noch mal untersuchen. Vielleicht haben sie was übersehen. Aber mit Schonhaltung, kalten Umschlägen und gutem Glauben komme ich da nicht weiter.«
    »Okay«, meinte Bettina, »kein Problem, ich fahr dich hin.«
    »Nein, lass mal, ich glaube, ich fahre lieber mit Eleonore. Sie kennt sich in diesem fürchterlichen Krankenhaus aus, das ungefähr so groß ist wie ein Atomkraftwerk, die Bundesagentur für Angestellte und die Frankfurter Börse zusammen. Außerdem kann sie ein bisschen Italienisch und kommt ganz gut durch. Wir beiden Hübschen werden da irre.«
    »Gut«, Bettina grinste, »aber ich bleibe heute hier. Ich sitze hier auf dieser Terrasse, ruhe mich aus und warte auf dich.«
    »Und Jan und Edda? Was machen sie?«
    »Keine Ahnung. Wir werden sie fragen.«
    Beim Frühstück waren Jan und Edda noch völlig verpennt, schlecht gelaunt und hatten zur Gestaltung des Tages überhaupt keine Meinung.
    Um neun fuhr Mareike mit Eleonore nach Montevarchi, und Bettina las den Schmöker, den sie sich extra für den Urlaub mitgenommen hatte: »Die Säulen der Erde«. Bereits nach den ersten hundert Seiten war sie in Tränen aufgelöst.
    Edda saß in der Küche und schrieb einen ellenlangen Brief an Miki, Jan hockte auf der Terrasse, spielte mit Harry, der unentwegt versuchte abzuhauen, und langweilte sich.
    »Darf ich Fahrrad fahren?«, fragte er nach einer Weile.
    Bettina sah von ihrem Buch auf und nahm ihre Lesebrille ab. »Fahrrad fahren? Wie kommst du denn auf die Idee?«
    »Eleonore hat ein Mountainbike. Es steht neben ihrer Küchentür hinterm Haus. Sie hat gesagt, ich darf damit fahren, wenn ich will.«
    Bettina tat es Leid, dass Jan sich langweilte. »Na ja, aber wo willst du denn hinfahren? Einfach nur so durch die Gegend?«
    »Ich könnte zu Enrico fahren. Er hat gesagt, wenn ich ihn noch mal besuche, baut er mir ein Gehege für Harry. Ich kann das doch mit ihm zusammen bauen, und nachher holst du mich da ab.«
    Bettina überlegte. Die Idee war gar nicht so schlecht. Jan war bei Enrico gut aufgehoben, hatte eine sinnvolle Beschäftigung, und wenn Mareike aus dem Krankenhaus kam, würden sie gemeinsam hinfahren. Dann könnte Mareike Enrico auch gleich kennen lernen.
    »Findest du denn da hin?«
    »Na klar!« Jan war fast beleidigt über die Frage. »Geht doch fast immer geradeaus. Nach Montebenichi, dann nach San Vincenti und gleich hinter San Vincenti rechts ab. Wie soll man sich denn da verfahren?«
    »Na gut.« Bettina seufzte. »Meinetwegen fahr hin. Aber fahr
    vorsichtig, hörst du? Nicht wie so'n Irrer. Und pass vor allem in den Kurven auf, auf dem Schoner rutscht man leicht aus!«
    »Na klar!« Jan war begeistert, sprang auf und drückte Bettina einen Kuss auf die Wange. »Klasse! Passt du unterdessen auf Harry auf«
    Bettina nickte. Jan setzte Harry wieder zurück in die Waschschüssel, in der die Schildkröte zusammen mit einem Haufen Löwenzahn auch die Nacht verbracht hatte, und rannte ums Haus, um das Fahrrad zu holen.
    Sekunden später war er wieder da.
    »Tschüss!« Jan winkte und schwang sich aufs Rad.
    »Spätestens heute Nachmittag kommen wir und holen dich, okay?«
    »Okay!«
    »Und grüß Enrico von mir!«
    »Mach ich!« Jan trat in die Pedale und strampelte den ansteigenden Weg hinter dem Haus hinauf.
    Bettina schloss die Augen und genoss die warmen, herbstlichen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Noch hatte sie nicht bemerkt, d iss Jans Handy neben der Waschschüssel mit der Schildkröte auf der Erde lag.
    88
    Der Bagger rumpelte so gegen zehn den Weg hinunter nach Valle Coronata. Kai folgte ihm mit seinem Wagen. Als sich Harald und Kai die Hand reichten, sahen sie sich einen Moment mit einem Blick an, der besagte, ?ich weiß von dir, und du weißt von mir, aber wir werden uns jetzt nicht gegenseitig die Zähne ausschlagen«
    Anne war ein bisschen verunsichert, aber sie überspielte dies durch hektische Betriebsamkeit, indem sie Kaffee kochte und zwischen Küche und

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