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Der Kindersammler

Titel: Der Kindersammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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leicht und unauff ä llig mit sich herumtragen kann. Winzige K ö rperteile der Opfer, die nicht verwesen und die ihm immer bleiben. Ewige Andenken sozusagen. «
    Karsten starrte sie sekundenlang fassungslos an. Dann schlug er mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. » Verfluchte Schei ß e « , sagte er. » So eine gottverdammte, verfluchte Schei ß e. «
    » Das Hahnenmoor bei Braunschweig ..., die Laubenkolonie in Berlin ... er ist mobil. Wir k ö nnen ihn noch nicht einmal r ä umlich einkreisen. « Mareike z ü ndete sich eine Zigarette an, obwohl ü ber der T ü r ein h ä ssliches
    Nichtraucherschild prangte. » Wir wissen eigentlich nur eins ganz sicher: Er wird es wieder tun. Wenn wir ihn nicht kriegen, wird er es immer wieder tun. «
    17
    Mit einem d ü nnen Bleistift und fast ohne jeden Druck zeichnete Alfred die Konstruktion einer von ihm erdachten Toilette auf ein Blatt Papier. Er wollte bei der Sp ü lung fast g ä nzlich ohne Wasser auskommen und war davon ü berzeugt, seine Erfindung — wenn sie fertig war — weltweit zu verkaufen. Wassermangel wurde immer mehr zu einem globalen Problem, irgendwann konnte es sich niemand mehr leisten, sauberes Trinkwasser in der Toilette hinunterzusp ü len.
    Seine Hand huschte ü ber den Zeichenblock, die Linien waren diffus und vage, er fertigte eine eilige Skizze seiner Gedanken, und das war ihm vollkommen genug. Das Problem war der Drucksp ü ler, er musste den Druck wesentlich erh ö hen, aber dazu reichte die Druckkapazit ä t einer normalen Hauswasserversorgung nicht aus. Er begann langsam zeichnerisch zu experimentieren und entwickelte zwei ineinander angeordnete H ü lsen in Form von Zylindern und Kugeln, bis ihn das Brummen des K ü hlschranks total aus dem Konzept brachte.
    Er stand auf und ö ffnete den K ü hlschrank. Ein Rest Senf trocknete in einem Glas seit Wochen vor sich hin, ein St ü ck Gouda war in uralter Plastikfolie hoffungslos verschimmelt. Das Verfallsdatum einer noch unge ö ffneten T ü te Milch war seit vier Tagen abgelaufen. Kapern, gr ü ner Pfeffer und eine Tube Tomatenmark hatten ihren Stammplatz in der K ü hlschrankt ü r, seit er in dieser Wohnung wohnte, das Gem ü sefach ö ffnete er erst gar nicht, zu sehr grauste ihm davor, was ihn erwartete. Neben einer kleinen, runden und steinharten Salami lagen zwei Flaschen Wei ß bier, die er nie trank, weil er kein passendes Glas besa ß .
    Alfred schaltete den K ü hlschrank aus und lie ß die T ü r offen. Den Stromverbrauch kann ich mir sparen, dachte er, wenn ich etwas esse, dann ja doch nur bei Milli oder vom T ü rken um die Ecke, wo er gelegentlich Schafsk ä se, Fladenbrot und gr ü ne Oliven kaufte.
    Er sp ü rte, dass sein Magen knurrte, und ihm fiel auf, dass er schon lange nicht mehr bei Milli gewesen war. Au ß erdem war er neugierig zu erfahren, was es Neues gab, seit man Benjamin gefunden hatte.
    Er nahm seinen Mantel und seine Schl ü ssel und verlie ß das Haus.
    Als Alfred den Imbissstand erreichte, sah er, dass Milli mit einem Mann und einer Frau in ein Gespr ä ch vertieft war. Er stellte sich daneben.
    Milli blinzelte ihm freundlich zu und fragte: » Wie immer? « Alfred nickte. » Wie immer. «
    Milli wendete die W ü rste auf dem Grill und wandte sich wieder ihren beiden G ä sten zu, die nur Kaffee tranken.
    » Nee « , sagte Milli, » am Dienstag war Benjamin nich hier. Det wee ß ick jenau, weil an dem Tag n ä mlich son scheu ß liches Wetter war, sodass kaum eener hier war. Und Kinder schon janich. Die h ä tt ick n ä mlich nach Hause jeschickt. «
    Alfred h ö rte einen Moment vor Schreck auf zu atmen. Gro ß artig. Er stand genau neben zwei Polizisten, die den Mordfall bearbeiteten.
    » Haben Sie Benjamin am Dienstag ü berhaupt nicht gesehen? Oder vielleicht nur kurz, als er zum Beispiel hier die Stra ß e entlangging allein ... oder in Begleitung eines Mannes? «
    Alfred studierte genau das Gesicht der Frau, die da sprach. Er hatte ein ganz flaues Gef ü hl im Magen, weil er sich ziemlich sicher war, dass er ihr schon einmal begegnet war, aber er wusste nicht mehr, wo. Sein Verstand arbeitete fieberhaft.
    » Nee « , sagte Milli, » janz bestimmt nich. lck hab ihn nich jesehen. Det hab ick mich n ä mlich schon jefragt, als ick jeh ö rt hab, dass der Kleene umjebracht worden is. Himmel, dabei war det so een s üß er Fratz. So nett und jut erzogen. Nich son Rabauke wie die andern alle. Und dann sowat. lck fass et nich. «
    » Wann haben Sie denn

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