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Der Kindersammler

Titel: Der Kindersammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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wurde mit dem Hubschrauber ins Universit ä tskrankenhaus geflogen, den Stein konfiszierte die Polizei. Den gr ü nen K ä fer w ü rde morgen fr ü h der Abschleppwagen holen. Er war nur noch Schrott.
    Thorsten und Bernie blieben noch an der Unfallstelle. F ü r sie war es der Kick ü berhaupt, was so ein simpler Stein alles bewirken konnte.
    Alfred ging davon. Vollkommen unbemerkt. Zu Fu ß . Er war jetzt nicht mehr in der Lage, den geklauten Ford, den sie an einer Landstra ß e in der N ä he der Br ü cke abgestellt hatten, noch einmal kurzzuschlie ß en und damit die anderen und sich nach Hause zu fahren. Sollte sich doch Thorsten daran versuchen. Aber Thorsten meinte immer, er sei ein technischer Idiot, und ü berlie ß diese Dinge daher den anderen. Und Bernie hatte so etwas bestimmt noch nie gemacht. Aber was interessierten ihn jetzt die anderen. Die w ü rden schon irgendwie nach Hause kommen. Zur Not m ü ssten sie eben trampen, obwohl das gef ä hrlich war. Der Autofahrer k ö nnte sich an sie erinnern.
    Alfred ä rgerte sich ü ber diese Gedanken. Warum zerbrach er sich den Kopf ü ber Thorsten und Bernie, er hatte jetzt wei ß Gott genug eigene Probleme.
    Die fast elf Kilometer Fu ß marsch, die er vor sich hatte, st ö rten ihn nicht, er hatte ja die ganze Nacht Zeit. Es war nur wichtig, zum Fr ü hst ü ck wieder zu Hause zu sein, damit seine Mutter keine bl ö den Fragen stellte.
    Die warme Mittagssonne hatte get ä uscht. Jetzt in der Nacht wurde es empfindlich k ü hl, ein unangenehmer, b ö iger Wind fegte ungebremst ü ber die weiten Felder. Alfred trug nur ein T-Shirt und eine Lederjacke, die er auch jetzt noch nicht zumachte, obwohl er am ganzen K ö rper zitterte. Er hatte eine Frau umgebracht, verflucht noch mal, einfach so, ohne es zu wollen, ohne nachzudenken, aus einer Laune heraus, nur um seinen Kumpels zu imponieren. Er wollte die Zeit zur ü ckdrehen, nur um vierundzwanzig Stunden, das w ü rde schon reichen, dann w ä re alles wie immer. Und pl ö tzlich erschien ihm dieses » wie immer « als das Erstrebenswerteste ü berhaupt.
    Der Wind trieb die Wolken vor sich her, und in einer L ü cke kam pl ö tzlich ein halber Mond zum Vorschein. Er wusste nicht, ob es abnehmender oder zunehmender Mond war, es interessierte ihn im Grunde auch nicht, aber Rolf h ä tte es gewusst. Rolf hatte sich f ü r alles interessiert, daher hatte er auch auf fast alles eine Antwort gehabt. Vielleicht, wenn da jemand gewesen w ä re, den er lieben k ö nnte, so jemand wie Rolf, vielleicht w ä re dann alles anders ge kommen.
    Aber jetzt ging er nach Hause zu seiner Mutter und seinen Schwestern, die ihm herzlich egal waren, und w ü rde weiterl ü gen, um zu verhindern, dass sie erfuhren, was geschehen war. Nur um nicht ertragen zu m ü ssen, dass aus ihren Blicken nicht mehr nur Gleichg ü ltigkeit, sondern nun auch Verachtung sprach.
    Er spürte, dass er seinen Vater schmerzlich vermisste, diesen Mister Unbekannt, der ihn gezeugt hatte und dann einfach so und völlig grundlos gestorben war.
    Um zwei kam er zu Hause an. Durchgefroren und vollkommen erschöpft. Im Haus war alles dunkel. Niemand schien sein Ausbleiben bemerkt zu haben, niemand hatte sich Sorgen gemacht. Und dass seine Mutter nachts noch einmal nachgesehen hatte, ob er zu Hause war oder nicht, war vollkommen unvorstellbar.
    So leise wie möglich stieg er die schmale Treppe zu seiner Wurstekammer hoch und legte sich — so wie er war — auf sein Bett. Obwohl er hundemüde war, konnte er nicht einschlafen. Alles hätte er darum gegeben, das Geschehene ungeschehen machen zu können.
    Mareike Koswig war nach ihrer Ausbildung ihr drittes Jahr im Polizeidienst. Seit zwei Monaten war sie im Außendienst, fuhr zusammen mit ihrem Kollegen Holger Meise Streife. Sie schlichteten Familienstreitigkeiten, brachten Betrunkene in die Ausnüchterungszelle und nahmen Blechschäden zu Protokoll. Mareike hatte schon einige schwere Unfälle gesehen, aber etwas Derartiges noch nie. Den Anblick von Tillis zerschlagenem Schädel würde sie wohl nie mehr loswerden und ewig vor Augen haben. Mareike machte die Fotos am Unfallort, die in derselben Nacht noch entwickelt wurden.
    Um drei Uhr zwanzig stoppten sie einen Geisterfahrer, der mit 2,8 Promille in die falsche Richtung fuhr und nichts davon bemerkt hatte. Um vier Uhr fünfzehn kamen sie zurück aufs Revier. Die entwickelten Fotos lagen vor. Mareike hatte Tilli mehrmals fotografiert. Von allen Seiten. Anscheinend

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